BGer 5A_564/2023, 5A_582/2023 vom 26. Oktober 2023: Erbenvertretung — Anordnung und Vergütungsfragen

In diesem Entscheid äusserte sich das Bun­des­gericht detail­liert zum Insti­tut der Erben­vertre­tung nach Art. 602 Abs. 3 ZGB (E. 2.).

Die Ein­set­zung ein­er Erben­vertre­tung gilt als vor­sor­gliche Mass­nahme nach Art. 98 BGG und kann daher vor Bun­des­gericht einzig auf die Ver­let­zung ver­fas­sungsmäs­siger Rechte gerügt werden.

Das Bun­des­gericht verneinte eine willkür­liche Ermessen­sausübung der Vorin­stanz, welche bei der Man­datierung ein­er Grosskan­zlei als Erben­vertreterin eine Mis­chrech­nung betr­e­f­fend die Stun­de­nan­sätze der Man­dat­slei­t­erin und ihrer Team­mit­glieder vorgenom­men hat­te (E. 5.3.2.). Zudem stellte es keine Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs durch die Vorin­stanz fest, welche die Ver­gle­ich­sof­fer­ten der Beschw­erde­führer ignori­ert hat­te und deren Rel­e­vanz lediglich impliz­it verneinte (E. 5.3.3.).

Sachver­halt

Der Erblass­er war Alleinak­tionär der F. AG und hin­ter­liess vier geset­zliche Erben. Das Bezirks­gericht Win­terthur set­zte Recht­san­walt G. als Erben­vertreter ein und beauf­tragte diesen im Wesentlichen mit der Ver­wal­tung der im Nach­lass befind­lichen Aktien der F. AG.

Nach­dem sämtliche vom Erben­vertreter gewählten Ver­wal­tungsratsmit­glieder der F. AG ihr Man­dat nieder­legt hat­ten und auch der Erben­vertreter zurück­ge­treten war, ernan­nte das Bezirks­gericht eine Zürcher Grosskan­zlei zur Erben­vertreterin. Es wählte expliz­it eine Grosskan­zlei, da es sich um eine kom­plexe Auf­gabe han­dle, die fach­liche Ken­nt­nisse in unter­schiedlichen Rechts­ge­bi­eten sowie entsprechende Ressourcen erforderte. Das Bezirks­gericht holte keine weit­eren Vorschläge für die Erben­vertre­tung ein (vgl. E. 3.).

Keine willkür­liche «Mis­chrech­nung» betr­e­f­fend das Hon­o­rar der Erbenvertreterin

Zwei Erben macht­en im Wesentlichen gel­tend, dass der Stun­de­nansatz der Man­dat­slei­t­erin I. von Fr. 740.- zu hoch sei; angemessen seien max­i­mal Fr. 500.- pro Stunde. Immer­hin betrage der Stun­de­nansatz mehr als das 6‑fache des im Kan­ton Zürich vorge­se­henen Nor­malansatzes von Fr. 120.- (Ziff. 3.1. Anhang zur Not­Ge­bV-ZH). Zudem erfülle «ein Team von Wirtschaft­san­wäl­ten» das Anforderung­spro­fil nicht – es müsse eine einzige, inte­gre und erfahrene Per­son mit Überzeu­gungskraft, Rück­grat und grossem Durch­hal­tewil­len einge­set­zt wer­den (E. 3.).

Das Oberg­ericht hat­te die Mis­chrech­nung des Bezirks­gerichts geschützt und erwogen, dass sich der Stun­de­nansatz der Recht­san­wältin I. mit Fr. 740.- zzgl. MWST zwar in ein­er Höhe befinde, deren Notwendigkeit für sich gese­hen grund­sät­zlich näher zu erläutern wäre. Da die weit­eren Mitar­beit­er des Pri­vate Clients Teams von I. einen Stun­de­nansatz von Fr. 230.- bis Fr. 450.- ver­rech­neten, sei im Rah­men ein­er Mis­chrech­nung von einem angemesse­nen Hon­o­rar auszuge­hen (E. 3., vgl. E. 4.1.).

Das Bun­des­gericht wies die Willkür­rü­gen der Beschw­erde­führer ab: Solange der von der Erben­vertreterin in Rech­nung gestellte Aufwand durch­schnit­tlich Fr. 500.- pro Stunde betrage, liege – gemessen am Rechts­begehren der Beschw­erde­führerin – keine willkür­liche Ermessen­sausübung der Vorin­stanz vor (E. 5.3.2.). Im Übri­gen sei nicht ersichtlich, inwiefern die Ver­wal­tung der Aktien eine beson­ders kom­plexe Auf­gabe darstellen soll – die Man­dat­slei­t­erin werde sich auf ihrer Zusicherung behaften lassen müssen, die Auf­gaben fra­gen­be­zo­gen und stufen­gerecht an die Mitar­beit­er mit tief­er­en Stun­den­sätzen zu delegieren, zumal sie für unnötige Aufwen­dun­gen keine Entschädi­gung werde fordern kön­nen (E. 5.3.1.).

Keine Pflicht der zuständi­gen Behörde zur Ein­hol­ung und/oder Prü­fung von Vergleichsofferten

Die Beschw­erde­führer rügten überdies eine Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs, da das Oberg­ericht die von ihnen ein­gere­icht­en Ver­gle­ich­sof­fer­ten ander­er Erben­vertreter ohne Begrün­dung ignori­ert habe (E. 4.2.).

Das Oberg­ericht hat­te erwogen, dass das Bezirks­gericht in der Wahl der Erben­vertre­tung frei und nicht an die Vorschläge der Parteien gebun­den sei. Entsprechend sei das Bezirks­gericht nicht verpflichtet gewe­sen, weit­ere Vorschläge für die Erben­vertre­tung einzuholen.

Mit diesen Erwä­gun­gen verneinte das Oberg­ericht gemäss Fest­stel­lun­gen des Bun­des­gerichts die Notwendigkeit der Berück­sich­ti­gung der Ver­gle­ich­sof­fer­ten zumin­d­est impliz­it, weshalb keine Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs (ins­bes. der Begrün­dungspflicht) vor­liege (E. 5.3.3.).

Generelles zur Erben­vertre­tung (Art. 602 Abs. 3 ZGB)

Ein Erben­vertreter kann auf Antrag eines Miter­ben von der zuständi­gen Behörde ernan­nt wer­den (Art. 602 Abs. 3 ZGB). Dieses Insti­tut soll Abhil­fe ver­schaf­fen, wenn eine Erbenge­mein­schaft man­gels Kon­sens nicht fähig ist, gemein­sam und ein­stim­mig zu han­deln (Gesamthand­sprinzip) und diese Hand­lung­sun­fähigkeit in ein­er Gefährdung des Nach­lassver­mö­gens resultiert.

Ein­er­seits kann der Erben­vertreter mit der Ver­wal­tung der gesamten Erb­schaft betraut wer­den, wom­it er eine ähn­liche Rechtsstel­lung wie ein Erb­schaftsver­wal­ter ein­nimmt (die Erb­schaftsver­wal­tung bezweckt die Sicherung und Erhal­tung des Nach­lassver­mö­gens durch eine unab­hängige Per­son, nicht aber die Liq­ui­da­tion und Teilung des Nach­lass­es; siehe Art. 554 ZGB). Ander­er­seits kann der Erben­vertreter – wie im vor­liegen­den Fall – für einzelne Hand­lun­gen bestellt wer­den, über die sich die Erben nicht zu eini­gen ver­mö­gen (E. 2.2).

Der Erben­vertreter ist im Rah­men seines Auf­trags geset­zlich­er Vertreter der Erbenge­mein­schaft – für die ihm über­tra­ge­nen Tätigkeits­bere­iche ist ein eigenes Han­deln der Erben aus­geschlossen. Entsprechend kann die Erben­vertre­tung Eigen­mächtigkeit­en einzel­ner Erben unterbinden. Für die Regelung intern­er Zwistigkeit­en ist die Erben­vertre­tung allerd­ings nicht geeignet und auch nicht vorge­se­hen (E. 2.4.).

Die Kosten der Erben­vertre­tung sind grund­sät­zlich von der Erbenge­mein­schaft zu tra­gen. Allerd­ings kön­nen sie einem Miter­ben über­bun­den wer­den, wenn dieser in queru­la­torisch­er Absicht oder zum eige­nen Vorteil seine Mitwirkung ver­weigert und damit erst den Grund für das Begehren um Anord­nung ein­er Erben­vertre­tung set­zt (E. 2.5.).

Prozes­su­al inter­es­sant ist schliesslich die Fest­stel­lung des Bun­des­gerichts, wonach sämtliche Miter­ben in das Ver­fahren betr­e­f­fend die Bestel­lung eines Erben­vertreters einzubeziehen sind, auch wenn es sich um ein Ver­fahren der frei­willi­gen Gerichts­barkeit han­delt (E. 2.3., a.M. OG ZH, Geschäfts-Nr. PE130005 vom 21. Jan­u­ar 2014, E. 3.4.). Entsprechend wur­den die bei­den Erben, welche keine Beschw­erde geführt hat­ten, als Beschw­erdegeg­n­er im Rubrum des Entschei­ds aufgeführt.