2C_176/2022 Staatshaftung wegen nutzloser Aufwendungen im Beschaffungsverfahren

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid 2C_176/2022 vom 7. Feb­ru­ar 2024 beurteilte das Bun­des­gericht die Beschw­erde gegen ein Urteil des Bun­desver­wal­tungs­gerichts (A‑670/2020 vom 6. Jan­u­ar 2022). Ver­fahrens­ge­gen­stand war die Frage, ob eine Anbi­eterin (vor­liegend die Beschw­erde­führerin) Anspruch auf Schaden­er­satz wegen nut­zlos­er Aufwen­dun­gen in einem Ver­gabev­er­fahren hat.

Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zu Grunde:

Das Bun­de­samt für Baut­en und Logis­tik (BBL) schrieb im Juni 2013 einen Dien­stleis­tungsauf­trag im IT Bere­ich aus und unterteilte die Leis­tung u.a. in Teil­los 1.1 (Erschlies­sung von 300 Stan­dorten) und in Teil­los 1.2 (Erschlies­sung von 100 Stan­dorten). Die Beschw­erde­führerin reichte für die Teil­lose 1.1 und 1.2 ein Ange­bot ein. Im Jan­u­ar 2014 beschloss der Bun­desrat, dass die ver­langten Dien­stleis­tun­gen nur noch von Schweiz­er Unternehmen erbracht wer­den soll­ten. Das BBL teilte der Beschw­erde­führerin daraufhin mit, dass sie als Zuschlagsempfän­gerin nicht mehr in Frage komme und erteilte den Zuschlag für das Teil­los 1.1. ein­er anderen Anbi­eterin (Y. AG). Die Beschw­erde­führerin erhob Beschw­erde gegen die Zuschlagsver­fü­gung und ver­langte, dass ihr der Zuschlag für das Teil­los 1.1 zu erteilen sei (Ver­fahren B‑998/2014). Im Sep­tem­ber 2014 schloss das BBL mit der Y. AG einen Rah­men­ver­trag für das Teil­los 1.1 (Erschlies­sung von 300 Stan­dorten). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erteilte der Beschw­erde der Beschw­erde­führerin daraufhin die auf­schiebende Wirkung. Im Juni 2016 teilte das BBL mit, dass sie auf­grund des erhöht­en Bedarfs mit­tler­weile 250 weit­ere, d.h. ins­ge­samt 550 Stan­dorte durch die Y. AG habe erschliessen lassen und das Ver­fahren betr­e­f­fend Teil­los 1.2 abge­brochen habe. Die gegen den Ver­fahrens­ab­bruch erhobene Beschw­erde der Beschw­erde­führerin blieb erfol­g­los, da das Bun­desver­wal­tungs­gericht von einem pro­vi­sorischen Ver­fahrens­ab­bruch aus­ging (Ver­fahren B‑1284/2017). Das BBL schrieb die Leis­tun­gen von Teil­los 1.2 indes nicht erneut aus. Im Juni 2017 reichte die Beschw­erde­führerin ein Schaden­er­satzge­such beim Eid­genös­sis­chen Finanzde­parte­ment ein. Das Finanzde­parte­ment und in Folge das Bun­desver­wal­tungs­gericht wiesen das Schaden­er­satzge­such ab. Dage­gen gelangte die Beschw­erde­führerin im vor­liegen­den Ver­fahren an das Bundesgericht.

Das Bun­des­gericht hält hin­sichtlich der Haf­tung nach aBöB fest, dass es sich um eine spezialge­set­zliche Haf­tung han­dle, welche der­jeni­gen nach dem Ver­ant­wortlichkeits­ge­setz vorge­he (E. 5.6.). Es gelangt zum Schluss, dass vor­liegend keine rechtswidrige Ver­fü­gung vor­liege, welche kausal zu einem Schaden geführt habe: Die Abbruchver­fü­gung betr­e­f­fend Teil­los 1.2 sei vom Bun­desver­wal­tungs­gericht geschützt wor­den, da es von einem anderen Sachver­halt aus­ge­gan­gen sei. Die Ver­fü­gung sei nicht für rechtswidrig erk­lärt wor­den und berechtige nicht zu Schaden­er­satz­forderun­gen (E. 6.2). Betr­e­f­fend die Erschlies­sung der 250 weit­eren Stan­dorte liege eben­falls keine rechtswidrige Ver­fü­gung vor: Das BBL habe diese vielmehr vorzeit­ig und unzuläs­sig erschliessen lassen (E. 6.4). Das Bun­des­gericht hielt fest, dass «[d]ie Kon­stel­la­tion, dass der unberück­sichtigt gebliebene Anbi­eter durch einen ver­gaberechtswidrig getätigten Ver­tragsab­schluss einen Schaden erlei­det, von der spezialge­set­zlichen Haf­tungs­bes­tim­mung nicht erfasst [wird]» (E. 6.4).

Betr­e­f­fend die Haf­tung nach dem Ver­ant­wortlichkeits­ge­setz hielt das Bun­des­gericht fest, dass es sich beim ver­früht­en Abschluss des Beschaf­fungsver­trags um eine wider­rechtliche Hand­lung han­dle, welche eine Staat­shaf­tung aus­lösen könne (E. 7.2.1.). Vor­liegend habe die Rechtsmit­tel­be­hörde ein­er Beschw­erde die auf­schiebende Wirkung erteilt, wom­it die Ver­gabestelle (das BBL) bis zum Abschluss des Rechtsmit­telver­fahrens keinen Ver­trag über die stre­it­ge­gen­ständlichen Leis­tun­gen habe abschliessen dür­fen. Das BBL habe aber während des Beschw­erde­v­er­fahrens sog­ar weit­ere 250 Stan­dorte erschliessen lassen. Es habe hier­nach ein Beschaf­fungs­be­darf von mind. 250 Stan­dorten bestanden, was auch den Abbruch des Ver­fahrens betr­e­f­fend Teil­los 1.2. rechtsmiss­bräuch­lich und treuwidrig mache (E. 8.1.).

Im Ergeb­nis erk­lärt das Bun­des­gericht sowohl die unzuläs­sige Erschlies­sung von stre­it­ge­gen­ständlichen Stan­dorten als auch den defin­i­tiv­en Ver­fahrens­ab­bruch von Teil­los 1.2 für rechtswidrig. Das Bun­des­gericht schützt den Anspruch der Beschw­erde­führerin auf Schaden­er­satz für ihre nut­zlosen Aufwen­dun­gen gestützt auf Art. 3 Abs. 1 VG. Es weist die Sache zur Bes­tim­mung der Höhe des Schadens an das Bun­desver­wal­tungs­gericht zurück.