Im Urteil 6B_339/2024 vom 14. August 2024 befasste sich das Bundesgericht mit der Veruntreuung von Darlehen. Der Beschuldigte hatte sich von Anlegern gestützt auf abgeschlossene Aktienkauf- und Darlehensverträge über Fr. 6 Mio. auszahlen lassen, wovon er über Fr. 3 Mio. für eigene Zwecke verwendet hatte.
Gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB macht sich der Veruntreuung schuldig, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Als anvertraut gilt, was jemand mit der Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse des Treugebers zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder einem anderen abzuliefern (E. 3.1).
Der Tatbestand erfasst Fälle, in denen zivilrechtlich die Fremdheit der anvertrauten Werte nicht gegeben oder zumindest zweifelhaft ist. Bei dieser Tatvariante erlangt der Treuhänder über die erhaltenen Werte nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtliche Verfügungsmacht. Die ins Eigentum des Treuhänders übergegangenen Werte sind jedoch bestimmt, später wieder an den Berechtigten zurückzufliessen. In diesem Sinne sind sie wirtschaftlich fremd. Der Treuhänder ist deshalb verpflichtet, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten. Eine Werterhaltungspflicht besteht auch bei einer Investition anvertrauter Gelder in eine Kapitalanlage, sofern die Gelder dazu bestimmt sind, später wieder — allenfalls mit einer bestimmten Rendite — an den Anleger zurückzufliessen (E. 3.1).
Die tatbestandsmässige Handlung besteht bei der Veruntreuung von Vermögenswerten in einem Verhalten, durch das der Täter eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln. Obwohl in Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht ausdrücklich erwähnt, verlangt die Bestimmung den Eintritt eines Vermögensschadens (E. 3.1).
Bei einem Darlehen, bei dem kein bestimmter Verwendungszweck verabredet ist, ist eine Pflicht des Borgers zur ständigen Werterhaltung zu verneinen. Der Borger darf mit dem Darlehen nach seinem Belieben wirtschaften. Er ist einzig verpflichtet, es zum vertraglichen oder gesetzlichen Termin zurückzuerstatten. Die Annahme einer Veruntreuung fällt deshalb ausser Betracht. Anders kann es sich dagegen verhalten, wenn das Darlehen ausgerichtet wurde für einen bestimmten Zweck. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus der vertraglichen Abmachung eine Werterhaltungspflicht des Borgers ergibt (E. 3.1).
Eine Werterhaltungspflicht liegt in der Regel vor, wenn die abredewidrige Verwendung der Vermögenswerte zu einem Schaden führen kann und mit der Vereinbarung eines bestimmten Verwendungszwecks dem Risiko einer Schädigung entgegengewirkt werden soll. Eine Werterhaltungspflicht wird etwa aufgrund dessen angenommen, dass sich ein Baukreditnehmer gegenüber der Bank verpflichtet, die bezogenen Gelder in das Bauwerk zu investieren. Er veruntreut die Gelder, wenn er sie stattdessen zur Begleichung von Schulden ohne Zusammenhang mit dem Bauprojekt verwendet. Die Vereinbarung muss nicht sachenrechtlich abgesichert werden. Nach der Rechtsprechung genügt für die Werterhaltungspflicht die Begründung eines “faktischen” oder “tatsächlichen” Vertrauensverhältnisses (E. 3.1).
In subjektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand der Veruntreuung Vorsatz und ein Handeln in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Nach der Rechtsprechung bereichert sich bei der Veruntreuung von Vermögenswerten unrechtmässig, wer die Vermögenswerte, die er dem Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten hat, in seinem Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, sie jederzeit sofort zu ersetzen (E. 3.1).
Gemäss Bundesgericht besteht im vorliegenden Fall der eingetretene Schaden der Darleiher nicht in der Realisierung von Ausfallrisiken, wie sie einem spekulativen Investment eigen sind. Massgebend ist, welches Verhalten den Schadenseintritt tatsächlich herbeigeführt hat. Da der Beschuldigte die ihm zur Verfügung gestellten Gelder zu grossen Teilen in keiner Form angelegt, sondern für seine privaten Bedürfnisse verbraucht hatte, hat er diesbezüglich von vornherein jegliche realistische Aussicht der Darleiher auf eine Darlehensrückzahlung zunichte gemacht resp. das Ausfallrisiko massiv erhöht. Die Zweckbestimmung der Verwendung der Darlehen für die Gründung seiner Unternehmen diente daher der Begrenzung des Verlustrisikos. Soweit die Darleiher gleichzeitig Aktionäre der entsprechenden Gesellschaften waren, der die Darlehensbeträge zukommen sollten, lag der Zweck der Darlehen auch insofern nicht nur im Interesse des Beschuldigten, sondern auch der Darlehensgeber. Damit bestätigte das Bundesgericht den Schuldspruch der Vorinstanz (E. 4.3).