Im zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenem Urteil 5A_681/2023 vom 6. Dezember 2024 fällte das Bundesgericht einen wegweisenden Entscheid zur unentgeltlichen Prozessführung.
Sachverhalt
In einem Walliser Kindesschutz- und darauffolgenden Beschwerdeverfahren obsiegte B., die einen Antrag um unentgeltliche Prozessführung gestellt hatte, gegen C. Letzterem wurden die Gerichtskosten auferlegt und C. wurde dazu verurteilt, B. eine Parteientschädigung zu bezahlen. Aus den Erwägungen des Beschwerdeentscheids ging hervor, dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege aufgrund des Obsiegens gegenstandlos geworden war.
Fast vier Jahre nach dem Urteil im Beschwerdeverfahren gelangte der Rechtsanwalt von B., gemäss Auslegung des Bundesgerichts in deren Vertretung (E. 2.2.1), an die Vorinstanz und erneuerte das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Er legte dar, dass die damals zugesprochene Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht einzubringen war und deshalb nachträglich die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren sei. Die Vorinstanz wies den Antrag ab. Sie erwog, im Beschwerdeverfahren sei bereits abschliessend über die unentgeltliche Prozessführung entschieden worden. Der Anwalt und B. gelangten daraufhin ans Bundesgericht. Auf die Beschwerde des Anwalts wurde nicht eingetreten, da er erst zur Beschwerde legimitiert sei, wenn die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und es bei der konkreten Ausrichtung (z.B. in deren Höhe) zum Streit komme. Bei der Frage, ob der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bestehe, sei ein Anwalt nicht beschwerdeberechtigt (E. 2.2.2).
Wesentliche Erwägungen:
Erwägung 6.2
In materieller Hinsicht hält das Bundesgericht einleitend fest, dass ein Antrag um unentgeltliche Prozessführung nicht einfach abgelehnt werden könne, wenn der Gegenpartei die Kosten auferlegt werden:
«Une requête d’assistance judiciaire ne peut être purement et simplement rejetée pour le motif que desdépens ont été mis à la charge de la partie adverse, à moins que, par ailleurs, la solvabilité de celle-ci nefasse aucun doute.» (E. 6.2).
Vielmehr könne das Gericht den Antrag um unentgeltliche Rechtspflege gutheissen und die Entschädigung davon abhängig machen, ob die Kosten bei der Gegenpartei einbringlich waren. Wenn bereits zum Zeitpunkt des Entscheids die Nichteinbringlichkeit feststeht, setze das Gericht die Entschädigung konkret fest. Auch könne das Gericht das Verfahren um die unentgeltliche Rechtspflege sistieren (E. 6.2.1).
Ist für das Gericht voraussehbar, dass die der obsiegenden Partei zugesprochene Forderung eintreibbar ist, kann es den Antrag für gegenstandslos erklären. Das Bundesgericht hält aber fest, dass es der obsiegenden Partei in einem solchen Fall offenstehen müsse, ihr Gesuch zu erneuern, wenn sie die Kosten bei der Gegenpartei nicht eintreiben konnte (E. 6.2.2).
Erwägung 8
Das Bundesgericht hob deshalb den Entscheid der Vorinstanz aufgrund einer Verletzung von Art. 122 Abs. 2 ZPO und Art. 29 BV auf und wies die Angelegenheit zur weiteren Prüfung zurück. Es auferlegte die Kosten im Umfang des Unterliegens dem Kanton Wallis, an dessen Solvenz – wie das Bundesgericht festhält – «aucun doute» besteht. Dies erlaubte dem Bundesgericht, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren für gegenstandslos zu erklären.
Weiterführende Links:
- BGE 142 III 138: Teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
- BGer 4A_492/2020 vom 19. Januar 2021: Unentgeltliche Rechtspflege vor Eintritt der Rechtshängigkeit