1C_170/2024: Entscheidkompetenz der Gemeinde bei Baugesuchen ausserhalb der Bauzone (amtl. Publ.)

Im Entscheid 1C_170/2024  vom 5. März 2025 behan­delt das Bun­des­gericht die Frage, ob eine Gemeinde selb­ständig – gestützt auf eine kan­ton­al­rechtliche Grund­lage – über Bauge­suche ausser­halb der Bau­zone entschei­den kann. 

Der Beschw­erde­führer ist Eigen­tümer ein­er in der Land­wirtschaft­szone gele­ge­nen Parzelle in der Gemeinde Ziz­ers. Auf der Parzelle plante er die Errich­tung eines land­wirtschaftlichen Ökonomiege­bäudes. Die Baukom­mis­sion der Gemeinde Ziz­ers wies das Bauge­such vom 5. August 2022 mit Bauentscheid vom 23. August 2022 ab und ver­weigerte die Baube­wil­li­gung.  Dage­gen erhob der Beschw­erde­führer Beschw­erde beim Ver­wal­tungs­gericht (seit dem 1. Jan­u­ar 2025 neu: Oberg­ericht) des Kan­tons Graubün­den. Dieses wies das Rechtsmit­tel mit Urteil vom 9. Jan­u­ar 2024 ab. Der Beschw­erde­führer gelangte in der Folge mit Beschw­erde in öffentlich-rechtlichen Angele­gen­heit­en an das Bundesgericht.

Stre­it­ig und zu prüfen war, ob die im Bünd­ner Recht beste­hende Regelung in Art. 87 Abs. 3 KRG/GR mit Art. 25 Abs. 2 RPG vere­in­bar ist. Nach dieser kan­tonalen Bes­tim­mung kann die Gemeinde ein Bauge­such für Baut­en ausser­halb der Bau­zone («BAB-Bauge­such») von sich aus wegen fehlen­der Zonenkon­for­mität und man­gels Vor­liegens der Voraus­set­zun­gen für die Aus­nah­me­be­wil­li­gung nach Art. 24 ff. RPG abweisen, mithin im Sinne ein­er Vor­triage bzw. ‑selek­tion nur die aus ihrer Sicht bewil­li­gungs­fähi­gen Vorhaben der kan­tonalen Behörde übermitteln.

Nach dem Bun­des­gericht erscheint der Wort­laut von Art. 25 Abs. 2 RPG klar: Die zuständi­ge kan­tonale Behörde entschei­det bei allen Bau­vorhaben ausser­halb der Bau­zo­nen, ob sie zonenkon­form sind oder ob für sie eine Aus­nah­me­be­wil­li­gung erteilt wer­den kann. Fol­gt man dem Wort­laut der Bes­tim­mung, bedürften sämtliche Bauge­suche ausser­halb der Bau­zone eines kan­tonalen Entschei­ds, unab­hängig davon, ob die kom­mu­nale Baube­hörde einen pos­i­tiv­en oder neg­a­tiv­en Antrag stellt (E. 3.1).

Diese Ausle­gung ste­ht, so das Bun­des­gericht, im Ein­klang mit dem Hauptzweck von Art. 25 Abs. 2 RPG. Der Hauptzweck beste­he darin, eine ein­heitliche und rechts­gle­iche Behand­lung von Aus­nah­mege­suchen inner­halb des Kan­ton­s­ge­bi­ets sicherzustellen. Überdies soll über die Zonenkon­for­mität und Aus­nah­me­be­wil­li­gungs­fähigkeit eine fach­lich kom­pe­tente, von Pres­sio­nen und per­sön­lichen Abhängigkeit­en unab­hängige Behörde entschei­den. Aus diesen Grün­den sollen sämtliche Gesuche bei ein­er über­ge­ord­neten Behörde mit entsprechen­der Eigen­ständigkeit und entsprechen­dem Überblick zusam­men­laufen (vgl. BGE 128 I 254 E. 3.5 mit Hinweisen).

Das Vorge­hen der Gemeinde erwiese sich aus diesen Grün­den nicht als bun­desrecht­skon­form: Die kan­tonale Fach­stelle (ARE/GR) ist zwar im Rah­men ein­er vor­läu­fi­gen Beurteilung zunächst ins Ver­fahren mitein­be­zo­gen wor­den; die Gemeinde hat aber let­ztlich den­noch selb­st­ständig über die Abweisung des Bauge­suchs entsch­ieden. Diese Prax­is, die kan­tonale Behörde zwar im Sinne ein­er unverbindlichen vor­läu­fi­gen Beurteilung gemäss Art. 41 KRVO/GR beizuziehen, es aber let­ztlich (alleine) der Gemeinde zu über­lassen, das Aus­nah­mege­such — auch ent­ge­gen der vor­läu­fi­gen kan­tonalen Ein­schätzung — von sich aus abzuweisen, ist, so das Bun­des­gericht, nicht bun­desrecht­skon­form. Damit werde wed­er der kan­tonalen Entschei­dzuständigkeit (Art. 25 Abs. 2 RPG) noch dem Koor­di­na­tion­s­ge­bot (Art. 25a RPG) Rech­nung getra­gen (E. 4.2). Der zu beurteilende Fall zeige exem­plar­isch, wie unko­or­diniert das Ver­fahren abge­laufen sei. Das von der Vorin­stanz geschützte Vorge­hen der Gemeinde, ohne jede inhaltliche Abstim­mung mit der kan­tonalen Fach­stelle einen neg­a­tiv­en Bauentscheid zu fällen, ver­stosse damit auch gegen das Koor­di­na­tion­s­ge­bot nach Art. 25a RPG (vgl. hierzu: Entscheid Chrü­zlen BGE 116 Ib 50 E. 4b).

Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde gut und wies die Sache zur Fort­set­zung des Ver­fahrens im Sinne der Erwä­gun­gen an die Gemeinde Ziz­ers zurück.