Im Entscheid SSG 2024/DO/22 reduzierte das Schweizer Sportgericht die von Swiss Sport Integrity (“SSI”) beantragte Sperre gegen einen Freizeitsportler von vier Jahren auf ein Jahr.
Das Dopingverfahren wurde von SSI aufgrund einer Information der Zollstelle Zoll Nord eingeleitet, wonach ein Paket mit dem Inhalt von 180 RAD140 à 10mg von Best Supps LTD an den Freizeitsportler adressiert war. Der Inhalt des Pakets wurde im verwaltungsrechtlichen Verfahren eingezogen und vernichtet (Rz. 24 f.).
Die Anklage von SSI enthielt den Vorwurf der versuchten Anwendung der verbotenen Substanz RAD140 gemäss Art. 2.2 Doping-Statut sowie den Vorwurf des Besitzes der verbotenen Substanz RAD140 gemäss Art. 2.6 Doping-Statut (Rz. 22 f.).
Das Schweizer Sportgericht stellte zunächst fest, dass es sich bei der angeschuldigten Person unbestritten um einen Freizeitsportler im Sinne des Doping-Statuts handle und dass RAD140 eine nicht-spezifische Substanz im Sinne von Art. 4.2.4 Doping-Statut i.V.m. S. 3 und S. 5 Dopingliste sei (Rz. 117).
Zum Vorwurf der versuchten Anwendung führte das Schweizer Sportgericht aus, dass ein “Versuch” gemäss Doping-Statut ein vorsätzliches Verhalten voraussetzte, “das einen wesentlichen Schritt im geplanten Verlauf einer Handlung darstellt, die auf einen Verstoss gegen Anti-Doping-Bestimmungen abzielt. […]”. Da SSI nach Art. 3.1.1 Doping-Statut die Beweislast für Verstösse gegen die Anti-Doping-Bestimmungen trage, habe SSI auch den Vorsatz der angeschuldigten Person zu beweisen. Vorliegend sei dieser Nachweis nicht erbracht worden, womit der Tatbestand der versuchten Anwendung nicht erfüllt sei (Rz. 84 ff.).
Hingegen erachtete das Schweizer Sportgericht den Tatbestand des Besitzes gemäss Art. 2.6 Doping-Statut als gegeben. Es stützte sich dabei auf die Definition des Besitzes gemäss Anhang des Doping-Statuts, wonach bereits der “Kauf (auch auf elektronischem und anderem Wege) einer verbotenen Substanz oder Methode als Besitz durch die Person, die den Kauf tätigt” gelte (Rz. 101 ff.).
Für Verstösse gegen Art. 2.1, 2.2 oder 2.6 Doping-Statut werden die in Art. 10.2 Doping-Statut aufgeführten Sperren verhängt, es sei denn, die Bedingungen für die Aufhebung oder Reduktion der Sperre nach Art. 10.5, 10.6 oder 10.7 Doping-Statut seien erfüllt (Rz. 110). Nach Art. 10.2.1 i.V.m. Art. 10.2.1.1 Doping-Statut sei unter Vorbehalt von Art. 10.2.4 Doping-Statut eine Sperre von vier Jahren vorgesehen, wenn der Verstoss gegen die Anti-Doping-Bestimmungen keine spezifische Substanz betreffe und die angeschuldigte Person nicht nachweisen könne, dass der Verstoss nicht vorsätzlich begangen worden sei (Rz. 111). Für den Nachweis, dass kein vorsätzliches Handeln vorliege, sei das Beweismass der Glaubhaftmachung erforderlich (Rz. 113).
Vorliegend berücksichtigte das Schweizer Sportgericht verschiedene von der angeschuldigten Person vorgebrachten Umstände, die gegen vorsätzliches Handeln sprachen, insbesondere das junge Alter und die geringe Erfahrung der angeschuldigten Person, die Bestellung des Produkts über die Website eines österreichischen Onlinehändlers, die positive Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln in den sozialen Medien, den positiven Produktbeschrieb ohne direkte Warnhinweise oder Risikoinformationen sowie das Nichtbewusstsein der angeschuldigten Person, dass es sich bei dem Produkt um eine verbotene Substanz handle und dass eine solche Substanz über einen regulären Onlinehändler bezogen werden könne.
Gestützt auf diese Umstände kam das Schweizer Sportgericht zum Schluss, dass die angeschuldigte Person nicht vorsätzlich gehandelt habe. Es hielt jedoch auch fest, dass ihr vorzuhalten sei, dass sie ein Produkt bestellt habe, ohne genau zu wissen, um was für ein Produkt und mit welchen Inhaltsstoffen es sich gehandelt habe. Aufgrund der Produktbeschreibung des bestellten Produktes hätte eine sorgfältig handelnde Person Abklärungen zur Substanz RAD140 vorgenommen und mit einer einfachen Suchanfrage im Internet in Erfahrung gebracht, dass es sich um eine verbotene Dopingsubstanz handle. Entsprechend sei das Verhalten der angeschuldigten Person näher bei einem grobfahrlässigen Verhalten als bei keiner Fahrlässigkeit (Rz. 129 ff.).
Angesichts der Schwere des Verschuldens erachtete das Schweizer Sportgericht eine Sperre von einem Jahr als angemessene Sanktion. Die Verfahrenskosten von CHF 500.00 wurden vollumfänglich der angeschuldigten Partei auferlegt und ihr wurde trotz der erheblichen Reduktion der Sperre keine Parteientschädigung zugesprochen (Rz. 165 ff.). Auf das Wiedererwägungsgesuch der angeschuldigten Person, das sich gegen die Verteilung der Verfahrenskosten und die Verweigerung einer Parteientschädigung richtete, trat das Schweizer Sportgericht nicht ein.
Hinweis: Die angeschuldigte Person wurde von der Autorin dieses Beitrags vertreten.