Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (A. SA), eine in der Schweiz domizilierte Gesellschaft, wurde durch ein rumänisches Gericht (Tribunalul Specializat de Cluj) im Jahr 2017 zur Zahlung von insgesamt EUR 159’394.30 nebst Verzugszinsen von 0,15 % pro Tag ab dem 10. Juni 2016 verurteilt. Durch Berufung wurde das Urteil am 3. November 2020 insofern abgeändert, dass die Beschwerdeführerin auf EUR 56’178 für gelieferte Waren und Transportkosten sowie EUR 16’080.29 Zinsen bis zum 9. Juni 2016 verurteilt wurde, zuzüglich derselben täglichen Verzugszinsen ab dem 10. Juni 2016. Die gegen dieses Urteil erhobenen Rechtsmittel wurden vom Obersten Gerichtshof Rumäniens abgewiesen. Im Kanton Wallis beantragte die Beschwerdegegnerin (B. S.R.L) die definitive Rechtsöffnung zur Betreibung dieser Forderung, gegen die Beschwerdeführerin (A. SA) Rechtsvorschlag erhob. Der Bezirksrichter in Sierre gewährte die Rechtsöffnung teilweise mit Zinsanspruch von 35 % jährlich ab 10. Juni 2016 auf einen Betrag von CHF 57’470. Das Kantonsgericht des Kantons Wallis bestätigte diese Entscheidung, präzisierte die Beträge und ordnete die definitive Rechtsöffnung auf CHF 16’450 und CHF 57’470 mit Zinsen von 0,15 % pro Tag ab 10. Juni 2016 an. Gegen diese kantonalen Entscheide erhob die Beschwerdeführerin (A. SA) Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung (eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz).
Wesentliche Erwägungen
Das Bundesgericht beurteilte die Rüge der Beschwerdeführerin, dass ein Verstoss gegen den materiellen ordre public nach Art. 34 Ziff. 1 des Lugano Übereinkommens (LugÜ) in Bezug auf die Zahlung von Verzugszinsen von 0.15% pro Tag vorliege, zu denen sie letztinstanzlich vom höchsten rumänischen Gericht verurteilt wurde (E. 3).
Das Bundesgericht prüfte zunächst die Voraussetzungen für eine Verweigerung der Anerkennung basierend auf Art. 34 Ziff. 1 des LugÜ, wonach ein ausländisches Urteil nicht anerkannt wird, wenn dies offensichtlich gegen den materiellen ordre public verstösst, und machte dabei deutlich, dass diese Norm Ausnahmecharakter hat und restriktiv auszulegen ist (E. 4.1).
Ein schwerwiegender Verstoss gegen den materiellen ordre public liegt nach Auffassung des Bundesgerichts nur dann vor, wenn das ausländische Urteil in krasser Weise mit den fundamentalen Prinzipien der schweizerischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Die Bestimmung ist restriktiv auszulegen, um die internationale Rechtshilfe nicht unnötig zu beeinträchtigen (E. 4.1–4.2).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im rumänischen Verfahren zwar sämtliche (inländischen) Rechtsmittel bis hin zum obersten Gericht Rumäniens erhoben, jedoch die Verzinsungshöhe nicht explizit gerügt. Das Bundesgericht stützt sich nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung des LugÜ auf die Rechtsprechung des EuGH zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel-I-Verordnung; u.a. EuGH-Urteil Diageo Brands) sowie auf die einschlägige juristische Literatur, die fordern, dass ein solcher materieller ordre public-Einwand zunächst im Ursprungsstaat geltend zu machen und durchzusetzen ist. Nur unter besonderen Umständen kann der ordre public-Einwand erst im Anerkennungsverfahren vorgebracht werden, sofern eine frühere Geltendmachung nicht möglich oder unzumutbar war. Welche besonderen Umstände dies im Einzelnen sein könnten, lässt das Bundesgericht jedoch offen (E. 4.3–4.6).
Da die Beschwerdeführerin die explizite Rüge der Verzugszinshöhe vor den rumänischen Instanzen nicht nachweisen konnte, wurde die Rüge, die Verletzung des materiellen ordre public nach Art. 34 Ziff. 1 LugÜ, vom Bundesgericht abgewiesen (E. 4.7).
Weiterführende Links:
BGE 141 III 210 E. 4 und 5.1: Das Bundesgericht liess in diesem Entscheid die gegenständliche Frage offen und stellte die Frage dabei unter den Gesichtspunkt von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG
Urteil des EuGH vom 16. Juli 2015, C‑681/13 (“Diageo Brands”), insbesondere Rn. 63, 64 und 68