2C_882/2014: MWSt auf den Billag-Empfangsgebühren zu Unrecht erhoben | Senkung des Jahresbetrages per 1. Mai 2015

Gemäss BGE 2C_882/2014 vom 13. April 2015 unter­liegen die von der Schweiz­erischen Erhe­bungsstelle für Radio- und Fernse­hemp­fangs­ge­bühren (Bil­lag AG) jährlich erhobe­nen Radio- und Fernse­hemp­fangs­ge­bühren nicht der Mehrw­ert­s­teuer-Pflicht. Der betr­e­f­fend­en Gebühr ste­ht gemäss BGer keine Gegen­leis­tung im Sinne des MWSt-Geset­zes (MWStG; SR 641.20) gegenüber. In Erman­gelung eines synal­lag­ma­tis­chen Leis­tungsaus­tausches und ent­ge­gen dem Wort­laut der Verord­nung zum MWStG (Art. 14 Ziff. 1 MWStV; SR 640.201) darf die Bil­lag deshalb per Urteils­da­tum keine 2,5% MWSt (rund 11 Franken pro Jahr und Haushalt) mehr auf den Emp­fangs­ge­bühren erheben. Bei rund 3 Mio. zahlungspflichti­gen Haushal­ten und Unternehmen bewirkt dieses Urteil beim Bund jährliche Min­dere­in­nah­men von geschätzt rund 30 Mio. Franken (ein­genommene Gebühren für 2014 gem. BAKOM: 1.321 Mrd ohne MWSt) .

Das Bun­des­gericht hat­te die Sache im Rah­men ein­er Beschw­erde in öffentlich-rechtlichen Angele­gen­heit, welche eine gebührenpflichtige Pri­vat­per­son gegen ein Urteil des Bun­desver­wal­tungs­gerichts ergrif­f­en hat­te, zu entschei­den. Ursprünglich­es Anfech­tung­sob­jekt war eine Ver­fü­gung der Bil­lag betr­e­f­fend zweier Jahres­rech­nun­gen gewe­sen. Let­ztere hat­te der spätere Beschw­erde­führer nur exk­lu­sive MWSt bezahlt. Dies mit der Begrün­dung, die Gebühren für den Radio- und Fernse­hemp­fang seien infolge hoheitlich­er Tätigkeit von der Mehrw­ert­s­teuer befre­it (s. Art. 18 Abs. 2 lit. l MWStG; sin­ngemäss gle­ich: Art. 23 Abs. 1 Satz 2 aMW­StG; AS 2000 1300).

Die Bil­lag berief sich auf die Verord­nungsregelung des Bun­desrates, welche vorse­he, die Emp­fangs­ge­bühren inklu­sive dem aktuell gülti­gen MWSt-Satz (2,5%) zu fak­turi­eren (s.u.a. Art.14 Ziff. 1 MWStV).

Demge­genüber hielt das Bun­des­gericht hielt fest, dass

  • Dien­stleis­tun­gen im Bere­ich von Radio und Fernse­hen prinzip­iell dem unternehmerischen und nicht dem hoheitlichen Bere­ich zuzurech­nen seien (Art. 14 Ziff. 1 MWStV; E. 3.2.);
  • charak­ter­is­tisch für die MWSt-Pflicht gem. ständi­ger Recht­sprechung der Aus­tausch von Leis­tun­gen („innere wirtschaftliche Verknüp­fung“) sei (E. 3.3.);
  • die Erfül­lung ein­er öffentlichen Auf­gabe durch den Staat gegen Gebühr ein mehrw­ert­s­teuer­lich­es Leis­tungsaus­tauschver­hält­nis nicht auss­chliesse, solange diese Tätigkeit nicht hoheitlich sei (E. 3.4.);
  • die Ver­sorgung der Öffentlichkeit mit Radio-und Fernseh­pro­gram­men (‘Ser­vice Pub­lic‘) keine hoheitliche Auf­gabe sei und auch von Pri­vat­en erbracht werde könne (E. 6.1.);
  • vor­liegend jedoch keine Rechts­beziehung zwis­chen den Pro­gram­mver­anstal­tern und den Gebührenpflichti­gen beste­he (E.5. und 6.2.);
  • im übri­gen das Recht auf Emp­fang von Radio-und Fernsehsendun­gen von Ver­fas­sungs (Art. 16 Abs. 3 BV; Art. 10 EMRK, SR 0.101) und von Geset­zes (Art. 66 RTVG, SR 784.440) wegen jed­er­mann freis­te­he (E. 6.3.6. ff.);
  • die Emp­fangs­ge­bühr somit auch nicht als Ent­gelt für die Ein­räu­mung eines Rechts auf Emp­fang im Sinne von Art. 3 lit. e MWStG zu betra­cht­en sei (E. 6.4.2.);
  • die Emp­fangs­ge­bühr auch nicht die Gegen­leis­tung für eine andere vom Bund erbrachte Leis­tung sei (Bund nehme in diesem Kon­text nur reg­u­la­torische, hoheitliche Auf­gaben wahr; E. 6.5.);
  • let­ztlich kein Leis­tungsaus­tauschver­hält­nis zwis­chen Radio und TV-Pro­duzen­ten ein­er­seits und Schuld­nern der Emp­fangs­ge­bühr ander­er­seits beste­he (E. 6.6.);
  • die Emp­fangs­ge­bühr deshalb eine hoheitlich erhobene Abgabe darstelle (E. 6.7.);
  • die MWSt­VO keine Steuerpflicht fest­set­zen könne, wo von Geset­zes wegen keine beste­he (E.6.8.).

Das Bun­des­gericht qual­i­fizierte die Emp­fangs­ge­bühr schliesslich wed­er als Real­ab­gabe noch als Gegen­leis­tung für eine andere vom Bund erbrachte Dien­stleis­tung […]. Sie ist eine hoheitlich erhobene Abgabe, die der Bund erhebt, um damit gebühren­fi­nanzierte Ver­anstal­ter, namentlich die SRG [heute: SRF, Anm. Verf.], unter­stützen zu kön­nen. Damit ist sie eher als eine Zweck­s­teuer oder Abgabe sui gener­is zu qual­i­fizieren. […] Sie ist etwa ver­gle­ich­bar mit ein­er Kur­taxe: […] (E. 6.7.).

Auf den Rück­er­stat­tungsantrag des Beschw­erde­führers betr­e­f­fend sein­er seit 2007 bere­its bezahlter MWSt-Beträge trat das BGer nicht ein, mit der Begrün­dung, diese Frage hätte zunächst von den Vorin­stanzen beurteilt wer­den müssen (was offen­bar unterblieben war, E. 1.2.).

Das BGer befasste sich im Rah­men sein­er Aus­führun­gen aus­führlich mit der Geschichte der Emp­fangs­ge­bühren und ihrer steuer­rechtlichen Qual­i­fika­tion im Wan­del der Zeit (E.6.3.2.–6.4.) sowie auch mit der Rechts­beziehung zwis­chen Bund und Pro­gram­mver­anstal­tern (E.6.6.).

Die Bil­lag hat bere­its angekündigt, ihre Gebühren ab Mai 2015 entsprechend anzu­passen (s. NZZ online, 29.4.2015). Im übri­gen siehe auch Urteils­be­sprechung NZZ vom 30. April 2015, S. 9 (NZZ online vom 29. April 2015).