4A_155/2007: Gerichtsstand nach LugÜ 6 Ziff. 1, doppelrelevante Tatsachen (amtl. Publ.)

Mehrere (ange­blich) geprellte Anleger aus Deutsch­land klagten vor dem HGer ZH gegen den im Tessin wohn­haften Anwalt eines Unternehmens, das ein Schnee­ball­sys­tem betrieben habe, und gegen seinen Beruf­shaftpflichtver­sicher­er, der offen­bar Sitz in Zürich hat. Der Anwalt bestre­it­et die Zuständigkeit des HGer. Zu prüfen war u.a. der Gerichts­stand des Sachzusam­men­hangs (LugÜ 6 Ziff. 1).

Die Kläger beriefen sich auf eine Haf­tung des Anwalts, auf die Eigen­haf­tung des Ver­sicher­ers wegen Unsorgfalt beim Abschluss des Ver­sicherungsver­trags und auf eine Abtre­tung der Deck­ungsansprüche des Anwalts gegen seinen Ver­sicher­er an die Kläger. 

Zunächst durfte der Anwalt anführen, die Haf­tung bere­its des Ver­sicher­er beste­he nicht:

Wollte man die Klärung jen­er Tat­sachen, welche die Unzuläs­sigkeit der Klage auss­chliesslich gegenüber der Beklagten 1 [Ver­sicher­er] begrün­den kön­nten, im Sta­di­um der Prü­fung der vom Beschw­erde­führer [Anwalt] erhobe­nen Unzuständigkeit­seinrede ver­weigern, wäre der Beschw­erde­führer fak­tisch gezwun­gen, einen Prozess vor einem möglicher­weise unzuständi­gen Gericht voll­ständig durchzuführen, was darauf hin­aus­liefe, ihm das Recht, sich auf den ordentlichen Gerichts­stand zu berufen, zu ver­schliessen. Denn nach dem Grund­satz der per­pet­u­a­tio fori bliebe das Gericht für die Klage gegen den Beschw­erde­führer zuständig, auch wenn die Klage gegen die Stre­itgenossin mit Teil­urteil abgewiesen wer­den sollte (.…).
Bei ein­fach­er pas­siv­er Stre­itgenossen­schaft muss es dem nicht an seinem ordentlichen Gerichts­stand in Anspruch genomme­nen Belangten erlaubt sein, unter Beru­fung auf nicht dop­pel­rel­e­vante Tat­sachen zur Bestre­itung der Zuständigkeit die Unbe­grün­de­theit der gegen den Stre­itgenossen an dessen ordentlichen Gerichts­stand erhobe­nen Klage gel­tend zu machen, ohne sich bere­its selb­st auf die Sache ein­lassen zu müssen. Dieses Vorge­hen erscheint umso eher angezeigt, als dadurch Miss­bräuche ver­hin­dert wer­den kön­nen, ohne dass der Klag­partei oder dem an seinem ordentlichen Gerichts­stand eingeklagten Stre­itgenossen ein nen­nenswert­er Nachteil erwächst. Erstere hat den entsprechen­den Beweis ohne­hin zu führen, der Stre­itgenosse sich ohne­hin dage­gen zu vertei­di­gen. Fak­tisch wird lediglich die Durch­führung des Ver­fahrens gegenüber der am ordentlichen Gerichts­stand verk­lagten Partei mit Bezug auf die vom Stre­itgenossen erhobe­nen Ein­wände vorge­zo­gen, was übri­gens auch die Beklagte 1 selb­st beantragt hat.”

Dies hat­te die Vorin­stanz mis­sachtet, indem sie die Zuständigkeit einst­weilen angenom­men hat, indem sie sich auf in Wahrheit nicht dop­pel­rel­e­vante Tat­sachen stützte. Das BGer stellt fest, dass alle Fra­gen, die nicht die Haf­tung des Ver­sicher­ers betr­e­f­fen, son­dern nur die Frage, ob zwis­chen den Ansprüchen gegen den Ver­sicher­er und jenen gegen den Anwalt ein Kon­nex iSv LugÜ 6 I beste­he, nicht dop­pel­rel­e­vant und daher bere­its im Ein­tretenssta­di­um zu prüfen seien:

Alle Umstände, die nicht die Haf­tung des Beschw­erde­führers [Anwalt] betr­e­f­fen, erweisen sich mit Bezug auf den Beschw­erde­führer als exor­bi­tant. Der Anspruch der Beschw­erdegeg­n­er [Kläger] gegen die Beklagte 1 [Ver­sicher­er] hängt namentlich von den Fra­gen ab, ob ihnen die Deck­ungsansprüche des Beschw­erde­führers gegenüber der Beklagten 1 gültig abge­treten wur­den oder ob der Beklagten 1 eine Sorgfalt­spflichtsver­let­zung bei Abschluss der Ver­sicherung vorge­wor­fen wer­den kann. Diese Fra­gen sind nur bedeut­sam zur Beurteilung, ob die Gefahr sich wider­sprechen­der Urteile eine gemein­same Ver­hand­lung und Entschei­dung geboten erscheinen lässt (Art. 6 Ziff. 1 LugÜ). Bezüglich dieser für den Beschw­erde­führer nur mit Bezug auf den zuständigkeits­be­grün­den­den Kon­nex mass­geben­den Aspek­te kann nicht auf die Behaup­tun­gen der Beschw­erdegeg­n­er abgestellt wer­den, son­dern es sind bei der Beurteilung der Zuständigkeit die vom Beschw­erde­führer erhobe­nen Ein­wände zu prüfen und falls nötig darüber Beweis abzunehmen.”