Strittig war der Beginn der Rücktrittsfrist nach VVG 6 II. Das OGer NW als Vorinstanz hatte eingeräumt, dass aufgrund der Arztberichte (Lebensversicherung; Erwerbsunfähigkeit) keine sichere Kenntnis vom Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung bestanden habe. Die strittige Frist sei erst später ausgelöst worden, als der Versicherer von der Klägerin eine Vollmacht verlangt hatte, damit sie von den (früheren) Krankenkassen Auskünfte einholen könne. Die Klägerin hatte auf das Schreiben und mehrere Mahnungen nicht reagiert. Das passive Verhalten habe angesichts des einen Verdacht begründenden Arztberichts nur dahin verstanden werden können, dass die Klägerin sich eine Anzeigepflichtverletzung vorzuwerfen habe. Die Rücktrittsfrist nach VVG 6 II sei deshalb ausgelöst worden und abgelaufen.
Nach dem Urteil des BGer schliesst der Umstand, dass die Klägerin durch ihre Passivität weder gegen eine gesetzliche noch gegen eine vertragliche Mitwirkungspflicht verstossen und keine Auskunftspflicht verletzt hat, eine Auslösung der Rücktrittsfrist nicht aus:
“Für die Erkenntnis, dass der eine Versicherungsleistung Beanspruchende sich eine Verletzung der Anzeigepflicht hat zuschulden kommen lassen, bedarf es nicht unbedingt ausdrücklicher Erklärungen. Sie kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Kommt eine an sich anspruchsberechtigte Person, die von der Versicherung darum ersucht wird, die Namen ihrer früheren Krankenkassen anzugeben, damit Auskünfte im Hinblick auf die Abklärung des geltend gemachten Leistungsanspruchs eingeholt werden könnten, dieser Aufforderung trotz zahlreicher Mahnungen nicht nach, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung anzunehmen, dass sie etwas zu verbergen hat und versucht, den Zugang zu für sie nachteiligen Tatsachen zu verhindern. Wenn das Obergericht aufgrund der von der Beklagten im Jahre 2000 an die Klägerin gerichteten schriftlichen Aufforderungen, die alle ohne Echo blieben, zum Schluss gelangt ist, der Beklagten habe schon rund zwei Jahre vor ihrer Rücktrittserklärung vom 9. Oktober 2002 klar sein müssen, dass die Klägerin ihre Anzeigepflicht verletzt habe, hat es Art. 6 Abs. 2 VVG nicht verkannt.”
Gegen dieses Risiko kann der Versicherer etwas unternehmen:
“Bemerkt sei immerhin, dass der Versicherer eine rasche Klärung der Verhältnisse herbeiführen kann, indem er eine Aufforderung an den Versicherten zur Mitwirkung mit der Androhung verknüpft, bei Nichtmitwirkung würde im Sinne von Art. 6 Abs. 1 VVG vom Vertrag zurückgetreten.”