I 1098/06: intersystemische Koordination, gleichzeitige Behandlung (amtl. Publ.)

Nach der gle­ichzeit­i­gen Behand­lung eines Geburts­ge­brechens und eines Kreuzban­driss­es war strit­tig, ob die Kosten für die gesamte Behand­lung einem Ver­sicherungsträger ins­ge­samt zuzuteilen oder aber aufzuteilen waren (inter­sys­temis­che Koordination).

Das BGer:

7.1 Ob die nach Art. 64 Abs. 2 ATSG pri­or­itär leis­tungspflichtige Ver­sicherung gestützt auf Art. 64 Abs. 3 ATSG in jedem Fall des Zusam­men­tr­e­f­fens “eigen­er” und “fremder” Ursachen die gesamten Kosten der sta­tionären Heil­be­hand­lung zu übernehmen hat oder ob es einen (bes­timmten) Min­destanteil “eigen­er” Leis­tun­gen braucht, damit eine solche umfassende Leis­tungspflicht entste­ht […], hat das Bun­des­gericht noch nicht entsch­ieden. Diese Frage ist indes im vor­liegen­den Ver­fahren nur zu klären, wenn Art. 64 Abs. 3 ATSG bei gle­ichzeit­iger sta­tionär­er Behand­lung mehrerer gesund­heitss­chä­den über­haupt analoge Anwen­dung find­en kann. Dies ist im Fol­gen­den zu prüfen.”

Das BGer kommt nach einge­hen­der Prü­fung zu fol­gen­dem Schluss:

Dass der Geset­zge­ber die auss­chliessliche Leis­tungspflicht ein­er einzi­gen Sozialver­sicherung auch für “fremde” Schä­den gle­ich mehrfach begren­zte, spricht für eine enge Ausle­gung des Art. 64 ATSG. Das Zusam­men­tr­e­f­fen mehrerer, in sta­tionär­er Heil­be­hand­lung erbrachter medi­zinis­ch­er Mass­nah­men, die je für sich allein in den Zuständigkeits­bere­ich ver­schieden­er Ver­sicherun­gen fall­en und zwar gle­ichzeit­ig erbracht wer­den, jedoch voneinan­der abgrenzbare Gesund­heitss­chä­den betr­e­f­fen, ist somit grund­sät­zlich nicht unter Art. 64 Abs. 3 ATSG zu sub­sum­ieren. Vielmehr ist davon auszuge­hen, dass der Geset­zge­ber in solchen Fällen eine Koor­di­na­tion im Sinne der absoluten Pri­or­ität zu Las­ten der nach Art. 64 Abs. 2 ATSG
leis­tungspflichti­gen Sozialver­sicherung ger­ade nicht beab­sichtigt hatte.”

Und weit­er:

Wer­den die oper­a­tive Behe­bung eines Geburts­ge­brechens und eines davon unab­hängi­gen, grund­sät­zlich nicht in den Anwen­dungs­bere­ich der Invali­den­ver­sicherung fal­l­en­den Gesund­heitss­chadens im Rah­men ein­er einzi­gen sta­tionären Heil­be­hand­lung ange­gan­gen, etwa weil die Gebrechen im gle­ichen kör­per­lichen Bere­ich lokalisiert sind und es aus medi­zinis­ch­er Sicht sinn­los oder gar unver­ant­wortlich wäre, zwei selb­st­ständi­ge Ein­griffe nebeneinan­der (der eine zu Las­ten der Invali­den­ver­sicherung, der andere zu Las­ten der Kranken­ver­sicherung) durchzuführen, sind die dabei entste­hen­den Kosten somit in aller Regel aufzuteilen.”