9C_99/2008: Alkoholismus keine “Krankheit” (amtl. Publ.)

Wie das BGer am 3. Juli 2008 entsch­ied, muss ein schw­er­er Alko­ho­lik­er die Frage “Bestanden in den let­zten fünf Jahren jemals Krankheit­en oder erlit­ten Sie einen Unfall?” bei der Auf­nahme in die BVG-Stiftung nicht beja­hen, wenn er zum fraglichen Zeit­punkt zwar um seinen über­durch­schnit­tlich hohen Alko­holkon­sum weiss oder wis­sen müsste, sich aber zugle­ich kein­er anzeigepflichti­gen “Krankheit” bewusst war oder hätte sein müssen. Die Vor­sorgeein­rich­tung hätte 

den Krankheits­be­griff ohne weit­eres durch konkrete, für den Laien ver­ständliche Krankheits­bilder spez­i­fizieren (betr­e­f­fend Lum­ba­go vgl. BGE 101 II 339 E. 2b S. 343 f.) oder über­haupt nur nach solchen fra­gen kön­nen. Zudem stellte sie dem Auf­nah­me­be­wer­ber auf dem Frage­bo­gen nur für den Fall der Bejahung ein­er Krankheit zwei Leerzeilen für deren Beschrei­bung zur Ver­fü­gung. Für den Fall der Nega­tion der Gesund­heits­frage 7 liess sie dem zu Ver­sich­ern­den keinen Raum, um allfäl­li­gen Zweifeln über das Vor­liegen ein­er ern­sthaften Erkrankung oder ein­er pas­sageren, belan­glosen Beein­träch­ti­gung des kör­per­lichen Wohlbefind­ens Aus­druck zu geben. Bei solch offen gehal­te­nen Fra­gen ist eine Anzeigepflichtver­let­zung nach der Recht­sprechung zu Art. 6 VVG (in der bis Ende 2005 gültig gewe­se­nen, hier anwend­baren Fas­sung) nur restrik­tiv anzunehmen (vgl. Urteil B 42/96 vom 14. Mai 1997, E. 4b, publ. in: SVR 1997 BVG Nr. 81 S. 251; BGE 116 II 338 E. 1d S. 341: [“… avec la plus grande retenue”];101 II 339 E. 2b S. 344; fern­er Urteile B 106/04 vom 6. Mai 2006, E. 5.2 und B 38/99 vom 18. Sep­tem­ber 2000, E. 3b).”

Der “ärztlich­er­seits als ein­fach struk­turi­ert beschriebene” Beschw­erde­führer war berechtigt, unter dem Begriff “Krankheit” nur Gesund­heitsstörun­gen zu ver­ste­hen, die zu nicht ganz kurzfristi­gen Arbeit­sun­fähigkeit­en und Absen­zen vom Arbeit­splatz geführt hat­ten. Zu diesem Schluss kam das BGer, ohne zu berück­sichti­gen, dass alko­ho­lab­hängige Per­so­n­en “erfahrungs­gemäss” offen­bar dazu neigen, ihre Sucht zu ver­harm­losen, solange nicht gravierende Beschw­er­den auftreten.

Das Urteil wurde nach den für VVG 4 entwick­el­ten Grund­sätzen entsch­ieden, weil das Regle­ment der betrof­fe­nen Vor­sorges­tiftung in der Sache auf diese Bes­tim­mung verwies.