Das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt hat gestern eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der Bundeskriminalpolizei und des Bundessicherheitsdienstes durchgeführt, wie die NZZ heute in einem Beitrag über die „Atomschmuggel-Affäre Tinner“ berichtet (zum Hintergrund siehe auch hier und hier). Unterstützt durch die Berner Kantonspolizei beschlagnahmte und versiegelte es einen Tresor des Bundessicherheitsdienstes, der Schlüssel enthält, die den Zugang zu den umstrittenen Tinner-Akten ermöglichen.
Mithilfe dieser Aktion sollen die Unterlagen, die sich weiterhin beim Bundessicherheitsdienst befinden, bis zum Abschluss des ordentlichen Entsiegelungsverfahrens vor dem Bundesstrafgericht gesichert werden. Der Bundesrat hatte Ende Juni beschlossen, 100 Seiten der Akten zu vernichten, weil sie Anleitungen zum Bau von Atomwaffen enthalten, und verweigerte dem Untersuchungsrichter die Anfang Juli per Verfügung geforderte Einsichtnahme.
Das Bundesstrafgericht hatte daraufhin festgestellt (Urteil vom 08.07.2009 – BB.2009.66), der Bundesrat sei nicht legitimiert, dem Untersuchungsrichteramt die Herausgabe der Aktenkopien zu verweigern. Die Landesregierung könne allenfalls Einsprache erheben und die Versiegelung der Akten beantragen, um das geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse zu wahren. Es forderte den eidgenössischen Untersuchungsrichter auf, die Unterlagen nötigenfalls mit Zwangsmitteln zu beschaffen. Der Entscheid könne – so die darin enthaltene Erläuterung – mit keinem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden.
Der Bundesrat beruft sich auf sein verfassungsmässiges Verordnungs- und Verfügungsrecht (vgl. Art. 184 Abs. 3 und 185 Abs. 3 BV) und besteht auch nach der Sicherung der Tinner-Akten auf deren Vernichtung, wie einer Mitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zu entnehmen ist, aus der die NZZ zitiert:
„Gegen derartige Verfügungen des Bundesrates gebe es kein Rechtsmittel und sie würden daher sofort rechtskräftig. Damit stehe fest, dass die fraglichen Akten mit Kernwaffenbauplänen durch einen rechtskräftigen Bundesratsbeschluss dem Strafverfahren als Beweismittel definitiv entzogen seien. Die Beschlagnahmungsverfügung sei somit ohne taugliches Beschlagnahmungsobjekt. […] Gestützt auf diese Beschlagnahmungsverfügung könnten also auch keine gültigen Zwangsmassnahmen angeordnet werden. Eine strafprozessuale ‚Beschlagnahme‘ der fraglichen Akten sei damit rechtlich nicht möglich.“