5A_34/2009: Voraussetzungen der Absichtsanfechtung (amtl. Publ.)

Die vor BGer strit­tige Absicht­san­fech­tung (SchKG 288) richtete sich gegen den Verkauf von Anteilss­cheinen an einem Mehrfam­i­lien­haus durch den Schuld­ner, Mit­glied ein­er Baugenossen­schaft, für einen aus Sicht der Kläger zu niedri­gen Betrag. Umstrit­ten waren sämtliche Voraus­set­zun­gen der Absichtspauliana:

Der Wert von Genossen­schaft­san­teilen hängt u.a. davon ab, ob die Statuten im Fall eines Aus­tritts einen Anspruch auf Rück­zahlung der Anteilscheine oder auf dessen Anteil am Genossen­schaftsver­mö­gen vorse­hen. Fern­er wird der Erwer­ber eines Anteils erst dann berechtigt, die Mit­glied­schaft­srechte auszuüben, wenn die Genossen­schaft in Übere­in­stim­mung mit Gesetz und Statuten seine Auf­nahme beschlossen hat. Vor der Auf­nahme des Erwer­bers trägt dieser das Risiko, dass der Veräusser­er seine Mit­glied­schaft und der Erwer­ber dadurch seine Forderungsrechte ver­liert. Auch insofern bes­tim­men die Statuten, wann bzw. wie einem Erwer­ber der Wert des erwor­be­nen Anteils tat­säch­lich ver­mit­telt wird und welchen Wert diese Anteile dem­nach besitzen.

Das BGer hat­te im vor­liegen­den Fall nach diesen Kri­te­rien den Sub­stanzw­ert der Genossen­schaft und der verkauften Anteile zu ermit­teln. Es kam dabei zum Schluss, dass der Erwerb­spreis den wirk­lichen Wert um ein Vielfach­es unter­schrit­ten hat­te, die Gläu­biger­schädi­gung also zu beja­hen war. Die Anfech­tung des Verkaufs als “Recht­shand­lung” wird fern­er nicht dadurch aus­geschlossen, dass der Kaufver­trag die Bedin­gung der Zus­tim­mung durch die Genossen­schaft vorsah.

Auch die Schädi­gungsab­sicht lag, wie von der Vorin­stanz erkan­nt, vor. Die Fest­stel­lung der ersten Instanz — der Schuld­ner habe als Liegen­schaft­shändler und Vor­standsmit­glied der Genossen­schaft den tat­säch­lichen Wert der Liegen­schaft und sein­er Anteilscheine gekan­nt, und dass die Anteilscheine man­gels Mark­tes unverkäu­flich gewe­sen seien und deshalb zum tiefen Preis verkauft wer­den mussten, wider­spreche der Tat­sache, dass eine ins Recht gelegte Bestä­ti­gung der Unverkäu­flichkeit erst nach dem erfol­gten Verkauf aus­gestellt wor­den sei und der Schuld­ner zugesichert habe, die Käuferin werde die Anteilscheine wieder verkaufen kön­nen — war bis vor BGer nicht kor­rekt ange­focht­en worden.

Zulet­zt war die Schädi­gungsab­sicht erkennbar gewe­sen. Auch hier blieb es bei der Fest­stel­lung der ersten Instanz: Die eine der Beklagten habe als Ther­a­peutin, als Lebens­ge­fährtin und als Kol­le­gin des Schuld­ners im Vor­stand ein­er anderen Genossen­schaft von den Prob­le­men des Schuld­ners gewusst, und sie Grund gehabt, den Ver­dacht zu schöpfen, der Verkauf des hälfti­gen Anteils der Genossen­schaft und damit indi­rekt eines Mehrfam­i­lien­haus­es für lediglich CHF 200’000 könne die Gläu­biger des Schuld­ners schädigen.

Die Bös­gläu­bigkeit ein­er Zweit­er­wer­berin, der die Anteilss­cheine weit­er­verkauft wor­den waren (SchKG 290), war eben­falls erstellt. Die Zweit­er­wer­berin hat­te offen­bar von den Bedin­gun­gen des Erstverkaufs gewusst und hat­te dadurch bös­gläu­big einen anfecht­bar erwor­be­nen Ver­mö­genswert erwor­ben. Auf eine genaue Ken­nt­nis der Ver­mö­genssi­t­u­a­tion des Schuld­ners kam es nicht an; es reicht vielmehr aus, wenn der Zweit­beklagte bei pflicht­gemäss­er Aufmerk­samkeit erken­nen kon­nte, dass der Schuld­ner eine Gläu­biger­schädi­gung als mögliche Folge der Veräusserung in Kauf genom­men hat.

Das BGer hat aber, wie auch die kan­tonalen Instanzen, die zweite Veräusserung nicht aufge­hoben. Anfecht­bar sind nach SchKG 288 ff. nur Hand­lun­gen, an welchen der Schuld­ner beteiligt war; bei Ket­ten­veräusserun­gen nur die erste Veräusserung. Davon begrün­det SchKG 290 — der nicht die anfecht­baren Tatbestände regelt, son­dern die Pas­sivle­git­i­ma­tion — keine Aus­nahme. Eine Aus­nahme wäre nur dann in Frage gekom­men, wenn die bei­den formell getren­nten Kaufverträge auf Grund wirtschaftlich­er Betra­ch­tungsweise als eine ein­heitliche Recht­shand­lung des Schuld­ners zu betra­cht­en wären.

Immer­hin wurde die Zweit­er­wer­berin aber zur Leis­tung von Wert­er­satz nach SchKG 291 I verurteilt. Strit­tig war hier der Zeit­punkt der Bew­er­tung. Das BGer hält daran fest, dass es auf den Zeit­punkt ankommt, in dem die Rück­gabe der anfecht­bar erwor­be­nen Anteilscheine in natu­ra unmöglich wurde. Das gilt auch bei ein­er Immo­bilienge­sellschaft. Zwar ver­mit­telt die Beteili­gung am Genossen­schaftsver­mö­gen wirtschaftlich einen Anteil am Wert der Liegen­schaft, aber nicht an deren Eigen­tum. Deshalb kommt es nicht auf den Zeit­punkt an, in dem die fortbeste­hende Baugenossen­schaft ihre Liegen­schaft verkauft hat.

Bei der Wertbes­tim­mung sind auch latente Las­ten zu berück­sichti­gen. Die kan­tonalen Gerichte hat­ten zu Recht die beim Verkauf der Liegen­schaft ange­fal­l­enen Steuern berück­sichtigt, nicht aber Las­ten im Fall ein­er hypo­thetis­chen Liq­ui­da­tion der Baugenossen­schaft, weil deren Real­isierungswahrschein­lichkeit nicht sub­stan­ti­iert behauptet wor­den war.

Zulet­zt war strit­tig, ob sich die Gegen­leis­tung der Zweit­er­wer­berin “noch in den Hän­den des Schuld­ners” befand oder dieser “durch sie bere­ichert” war; in diesem Fall wäre sie der Zweit­er­wer­berin zu erstat­ten gewe­sen (SchKG 291 I). Zunächst kon­nte sich die Zweit­er­wer­berin als Anfech­tungs­beklagte nicht auf eine Ver­rech­nung eines Erstat­tungsanspruchs mit der erhal­te­nen Leis­tung berufen, weil dem Anfech­tungs­beklagten bei Einzelvoll­streck­un­gen — ausser­halb des Konkurs­es, wo der Anspruch auf Rück­er­stat­tung der eige­nen Leis­tung eine Mas­se­verbindlichkeit ist, die mit ein­er eige­nen Pflicht zur Leis­tung von Wert­er­satz ver­rech­nen wer­den kön­nte — ein Anspruch auf Rück­gabe der eige­nen Leis­tung nicht gegen den Anfech­tungskläger, son­dern auss­chliesslich gegen den Schuld­ner per­sön­lich zuste­ht. Ohne­hin blieb es bei der kan­tonalen Fest­stel­lung, dass eine Bere­icherung nicht mehr vorhan­den war.