Das Ergebnis einer Abstimmung kann durch eine behördliche Beeinflussung der Stimmberechtigten beeinflusst werden, zB durch Erläuterungen von Gemeindebehörden bei Gemeindeversammlungen. Behörden sind dabei
“zur Objektivität verpflichtet, sie dürfen Zweck und Tragweite einer Vorlage nicht falsch darstellen. Die Behörde muss sich nicht mit jeder Einzelheit einer Vorlage befassen und nicht alle denkbaren Einwendungen, welche gegen eine Vorlage erhoben werden können, erwähnen. Das Gebot der Sachlichkeit verbietet indessen, in den Erklärungen für den Entscheid des Stimmbürgers wichtige Elemente zu unterdrücken oder Argumente von gegnerischen Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiederzugeben.”
Im vorliegend vom BGer beurteilten Fall war eine Abstimmung über eine Gemeindeinitiative (der Gemeinde Werthenstein, über die Ausscheidung einer Abbau- und Ablagerungszone im Gebiet Schwanden) unter Umständen erfolgt, die es nicht erlaubten, dass der Wille der Stimmberechtigten zuverlässig gebildet und unverfälscht zum Ausdruck gebracht werden konnte:
“Eine gesamthafte Betrachtung der Situation anlässlich der Gemeindeversammlung zeigt, dass die Initianten der Gemeindeinitiative mit der Präsentation des Dienstbarkeitsvertrages für eine ausgesprochene Überraschung sorgten. Der Vertrag, vom Beschwerdeführer 2 verständlicherweise als “deus ex machina” bezeichnet, ist erst am Nachmittag dem Gemeinderat ausgehändigt und am Abend den Stimmberechtigten erstmals bekanntgemacht worden. Verschiedene Stimmberechtigte gaben ihrem Erstaunen über den Zeitpunkt des Abschlusses und der Präsentation des Vertrages Ausdruck. Es ist mit den Grundzügen der demokratischen Meinungsbildung zwar vereinbar, einzelne Argumente aus taktischen Gründen zurückzuhalten und im best erscheinenden Moment in die Diskussion einzubringen. Das Taktieren findet allerdings seine Grenzen, wo die Fairness der Auseinandersetzung nicht gewahrt ist und der umfassende Prozess der Meinungsbildung der Stimmberechtigten beeinträchtigt wird. Das kann zutreffen, wenn in einem späten Zeitpunkt nicht bloss persönliche Meinungen und Einschätzungen vorgebracht, sondern massgebliche Dokumente ins Spiel gebracht werden, die einer Prüfung bedürften. Für behördliche Unterlagen sieht das Stimmrechtsgesetz des Kantons Luzern (SRL Nr. 10) in § 22 Abs. 1 gar vor, dass die einer Abstimmungsvorlage zugrunde liegenden Akten während zwei Wochen eingesehen werden können. Im vorliegenden Fall hatten die Stimmberechtigten in keiner Weise die Möglichkeit, den Dienstbarkeitsvertrag einzusehen und zu prüfen. Gemäss Protokoll ist der Vertrag nicht vorgelesen worden. Damit fiel eine zuverlässige Willensbildung von vornherein schwer.
Ausschlaggebendes Gewicht kommt in der vorliegenden Konstellation dem Umstand zu, dass der für die Abstimmung über die Gemeindeinitiative wichtige Dienstbarkeitsvertrag, wie oben dargelegt, in einem äusserst späten Zeitpunkt präsentiert und unzutreffend dargestellt worden ist: Die Aussage über die Zusicherung bestimmter Wassermengen war offensichtlich unwahr und irreführend. In der konkreten Situation konnten die Stimmberechtigten die unzutreffenden Angaben über den Dienstbarkeitsvertrag in keiner Weise mehr überprüfen. Damit sind sie irregeführt und in ihrer Abstimmungsfreiheit beeinträchtigt worden.
Überdies lässt der Verhandlungsverlauf eine gewisse Verunsicherung erkennen. Die Ausführungen des Gemeindepräsidenten zeigen, dass der Gemeinderat den Dienstbarkeitsvertrag offenbar noch nicht prüfen und dessen Tragweite weder im Hinblick auf die Abstimmung über die Gemeindeinitiative noch mit Bezug auf eine allfällige Ausscheidung von Abbauzonen abschätzen konnte. Der Gemeindepräsident war daher nicht in der Lage, die mit der neuen Konstellation konfrontierten Stimmberechtigten über allfällige Konsequenzen aufzuklären und seiner Informationspflicht gegenüber den Stimmbürgern in einer der Situation angemessenen Weise nachzukommen. Von daher hätte geprüft werden können, das Geschäft bis zur Klärung der neuen Situation auszusetzen.”