Im Urteil vom 24. August 2015 befasste sich das BGer mit der Frage, ob die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Vorfeld der Abstimmung zur Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung” in unzulässiger Weise beeinflusst worden sind. Besagte Volksabstimmung fand am 9. Februar 2014 statt. Mit Erwahrungsbeschluss vom 13. Mai 2014 stellte der Bundesrat fest, dass die Volksinitiative vom Volk mit 1’463’854 Ja-Stimmen gegen 1’444’552 Nein-Stimmen angenommen wurde. Thomas Poledna und David Gibor führten gegen den Erwahrungsbeschluss Beschwerde beim BGer und platzierten eine weitere Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zürich. Den Nichteintretensentscheid des Regierungsrats zogen die Beschwerdeführer ebenfalls bis vor BGer.
Zunächst führt das BGer in einem theoretischen Teil aus, wie Beschwerden, mit denen die Rechts- und Verfassungsmässigkeit einer eidgenössischen Volksabstimmung wegen erst nachträglich bekannt gewordener schwerwiegender Mängel in Frage gestellt wird, geprüft werden:
- Schritt 1: Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Neubeurteilung des bereits abgeschlossenen Abstimmungsverfahrens gegeben sind (Unregelmässigkeiten von erheblicher Tragweite; Tatsachen und Beweismittel, die sich auf Fakten beziehen, die im Zeitraum der Abstimmung und während der anschliessenden Beschwerdefrist bereits vorhanden, aber nicht bekannt waren [unechte Noven]; Neubeurteilung nicht zeitlich unbegrenzt).
- Schritt 2: Materielle Beurteilung der Abstimmung unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen und Beweise.
Die Beschwerdeführer haben von der Existenz des erwähnten Plakats, von seinem Inhalt sowie der Art und Weise seiner Verwendung unbestrittenerweise bereits vor der eidgenössischen Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 Kenntnis erlangt. Sie hätten ohne weiteres innert der Frist von Art. 77 Abs. 2 BPR Abstimmungsbeschwerde beim Regierungsrat erheben und rügen können, das Plakat bzw. die Inserate beeinflussten die Stimmberechtigten in unzulässiger Weise. Soweit die Beschwerdeführer (sinngemäss) geltend machen, sie hätten erst anlässlich der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft im Dezember 2014, der Anklagezulassung durch das Regionalgericht im Januar 2015 bzw. der erstinstanzlichen Verurteilung von zwei Personen durch das Regionalgericht Ende April 2015 erkennen können, dass das umstrittene Plakat strafrechtlich relevant sein könnte, beziehen sie sich nicht auf Fakten, die zur Zeit der Abstimmung bereits vorhanden, aber noch unbekannt waren bzw. unbeachtet bleiben konnten […] (E. 4.2.).
Das BGer kommt vor diesem Hintergrund zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Neubeurteilung des bereits abgeschlossenen Abstimmungsverfahrens nicht gegeben sind. Inwiefern das BGer zur Aufhebung der Volksabstimmung befugt gewesen wäre, wenn Mängel von ausschlaggebender Bedeutung für das Abstimmungsresultat vorgelegen hätten, wird im Entscheid offengelassen.