A‑3631/2009: Anspruch auf Zugang zu den “Cockpits” der EStV nach Öffentlichkeitsgesetz

Ein Redak­tor der Son­ntagsZeitung hat­te die EStV ersucht, ihm die „Cock­pits-Berichte“ der dem Direk­tor der ESTV unter­stell­ten Abteilun­gen sowie der bei­den Haupt­abteilun­gen für die Jahre 2006, 2007 und 2008 zur Ver­fü­gung zu stellen. Das Cock­pits-Sys­tem ist das ESTV-interne Berichts- und Steuerungssystem.

Die EStV lehnte das Begehren ab mit der Begrün­dung, das Sys­tem diene wesentlich der Pla­nung. Die Umset­zung der teil­weise mehrjähri­gen Pla­nung würde erhe­blich gestellt, wenn ihre Grund­la­gen Drit­ten oder gar der Öffentlichkeit bekan­nt gegeben wer­den müssten. Zudem enthalte das Sys­tem Ein­schätzun­gen über das zu erwartende Ver­hal­ten von inter­na­tionalen Organ­i­sa­tio­nen und Staat­en; wür­den diese veröf­fentlicht, kön­nte die Posi­tion der Schweiz in inter­na­tionalen Ver­hand­lun­gen geschwächt werden.

Das BVer­wGer heisst eine Beschw­erde des Redak­tors gestützt auf das seit dem 1. Juli 2006 in Kraft ste­hende (und auf ältere Doku­mente nicht anwend­bare) Öffentlichkeits­ge­setz teil­weise gut. Grund­sät­zlich beste­ht ein Anspruch auf Ken­nt­nis­nahme von amtlichen Doku­mente. Art. 6 Abs. 1 BÖG lautet:

1 Jede Per­son hat das Recht, amtliche Doku­mente einzuse­hen und von den Behör­den Auskün­fte über den Inhalt amtlich­er Doku­mente zu erhalten.”

Allerd­ings beste­hen nach Art. 7 BÖG fol­gende Ausnahmen:

1 Der Zugang zu amtlichen Doku­menten wird eingeschränkt, aufgeschoben oder ver­weigert, wenn durch seine Gewährung:
a. die freie Mei­n­ungs- und Wil­lens­bil­dung ein­er diesem Gesetz unter­stell­ten Behörde, eines anderen leg­isla­tiv­en oder admin­is­tra­tiv­en Organes oder ein­er gerichtlichen Instanz wesentlich beein­trächtigt wer­den kann;
b. die zielkon­forme Durch­führung konkreter behördlich­er Mass­nah­men beein­trächtigt würde;
c. die innere oder äussere Sicher­heit der Schweiz gefährdet wer­den kann;
d. die aussen­poli­tis­chen Inter­essen oder die inter­na­tionalen Beziehun­gen der Schweiz beein­trächtigt wer­den kön­nen;
e. die Beziehun­gen zwis­chen dem Bund und den Kan­to­nen oder zwis­chen Kan­to­nen beein­trächtigt wer­den kön­nen;
f. die wirtschafts‑, geld- und währungspoli­tis­chen Inter­essen der Schweiz gefährdet wer­den kön­nen;
g. Berufs‑, Geschäfts- oder Fab­rika­tion­s­ge­heimnisse offen­bart wer­den kön­nen;
h. Infor­ma­tio­nen ver­mit­telt wer­den kön­nen, die der Behörde von Drit­ten frei­willig mit­geteilt wor­den sind und deren Geheimhal­tung die Behörde zugesichert hat.
2 (…)”

Dage­gen sieht Art. 8 Abs. 5 BÖG beson­dere Fälle vor:

1 (…)
2 Amtliche Doku­mente dür­fen erst zugänglich gemacht wer­den, wenn der poli­tis­che oder admin­is­tra­tive Entscheid, für den sie die Grund­lage darstellen, getrof­fen ist.
3 (…)
4 Amtliche Doku­mente über Posi­tio­nen in laufend­en und kün­fti­gen Ver­hand­lun­gen sind in keinem Fall zugänglich.
5 Der Zugang zu Bericht­en über die Eval­u­a­tion der Leis­tungs­fähigkeit der Bun­desver­wal­tung und die Wirk­samkeit ihrer Mass­nah­men ist gewährleistet.”

Auch im Anwen­dungs­bere­ich von BÖG 8 V kön­nen Tatbestände nach BÖG 7 dazu führen, dass der Zugang entwed­er aufgeschoben oder aber ver­weigert wird. 

Auf dieser Grund­lage entsch­ied das BVer­wGer wie folgt:

Die umfan­gre­ichen Cock­pits aus den Jahren 2006 bis 2008 haben zahlre­iche Funk­tio­nen; es sind sowohl Berichts- als auch Steuerungssys­teme (E. 2.7). Sie evaluieren die Leis­tungs­fähigkeit der ESTV als Teil der Bun­desver­wal­tung und die Wirk­samkeit ihrer Mass­nah­men (Art. 8 Abs. 5 BGÖ), dienen auch der Mei­n­ungs- und Wil­lens­bil­dung der ESTV (Art. 7 Abs. 1 Bst. a BGÖ), bilden die Grund­lage für admin­is­tra­tive Entschei­de (Art. 8 Abs. 2 BGÖ) und enthal­ten Posi­tio­nen in laufend­en und kün­fti­gen Ver­hand­lun­gen mit anderen Staat­en oder Staatenge­mein­schaften (Art. 8 Abs. 4 BGÖ). Dies alles kann den­noch nicht dazu führen, dass die Cock­pits ins­ge­samt dem Zugang der Öffentlichkeit ent­zo­gen wer­den kön­nen. Vielmehr sind sie im Rah­men der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit (E. 2.6) und nach Einzelfal­lab­wä­gung offen­zule­gen.
Mit Aus­nahme der Report­ings auf Stufe Amt (jew­eils April und Okto­ber) und der­jeni­gen der Abteilung für Inter­na­tionales ist der Zugang zu den Cock­pits nach der Anonymisierung der Per­so­n­en­dat­en (Art. 9 Abs. 1 BGÖ) und der Abdeck­ung der Infor­ma­tio­nen gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. a‑d, Art. 8 Abs. 3 sowie 4 BGÖ und unter Wahrung des Steuerge­heimniss­es in geeigneter Form zu gewährleisten.”