1B_212/2009: Sistierung des Strafverfahrens

Mit Urteil 1B_212/2009 vom 20. Jan­u­ar 2010 hat das Bun­des­gericht eine Beschw­erde gegen die Sistierung eines Strafver­fahrens gut­ge­heis­sen, da diese den Anspruch auf eine Beurteilung inner­halb ein­er angemessen­er Frist (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) ver­let­zte.

Das Gericht ver­wies dabei auf die Prax­is der aus­nahm­sweisen Sistierung von Strafverfahren: 

2.2 Wie im Schrift­tum dargelegt wird, ist die Möglichkeit, durch eine Ver­fü­gung das Strafver­fahren einst­weilen zu sistieren, in der Zürcher Straf­prozes­sor­d­nung nicht aus­drück­lich vorge­se­hen, son­dern wurde von der Prax­is geschaf­fen (Donatsch/Schmid, Kom­men­tar zur Straf­prozes­sor­d­nung des Kan­tons Zürich, 2000, § 38 N. 21). Die Sistierung kommt namentlich in Frage, wenn der Aus­gang ander­er, präjudizieller Ver­fahren unter anderem zivil­rechtlich­er Art, abzuwarten ist ([…] eben­so Art. 314 Abs. 1 lit. b der voraus­sichtlich Anfang 2011 in Kraft tre­tenden Schweiz­erischen Straf­prozes­sor­d­nung vom 5. Okto­ber 2007, BBl 2007 S. 7072). Von der Sistierung ist auch nach Auf­fas­sung der Lit­er­atur zurück­hal­tend Gebrauch zu machen. Zu ihr sollte nur gegrif­f­en wer­den, wenn das Urteil im anderen Ver­fahren gle­ich­sam kon­sti­tu­tiv für das zu sistierende ist […]. Die Strafver­fol­gungs­be­hör­den haben grund­sät­zlich auch vor­frageweise Rechts­fra­gen aus anderen Bere­ichen wie ins­beson­dere dem Zivil­recht abzuk­lären und zu entschei­den […]. Es ist auch keineswegs so, dass das Ver­fol­gen wirtschaftlich­er Inter­essen mit­tels Strafk­la­gen ins­beson­dere durch den Geschädigten immer miss­bräuch­lich wäre. Von der Ein­stel­lung aus diesem Grund sollte ins­beson­dere dann abge­se­hen wer­den, wenn andern­falls die Gefahr der Ver­jährung dro­ht ([…] zum Ganzen Urteil des Bun­des­gerichts 1B_57/2009 vom 16. Juni 2009 E. 2.1).

Im beurteil­ten Fall hat­te die Vorin­stanz wed­er dar­ge­tan, dass das Zivil­ver­fahren für das Strafver­fahren kon­sti­tu­tiv sei, noch angemah­nt, die Beschw­erde­führerin habe rechtsmiss­bräuch­lich den straf­prozes­sualen Weg beschrit­ten. Unter diesen Umstän­den sei es aber mit Art. 29 Abs. 1 BV nicht vere­in­bar, so das Bun­des­gericht, das Strafver­fahren auf unbes­timmte Zeit, möglicher­weise auf Jahre hin­aus bis zur recht­skräfti­gen Erledi­gung der eherechtlichen Auseinan­der­set­zun­gen zu sistieren. (E.2.4)