5A_534/2010: Einstellung der Betreibung kann superprovisorisch erfolgen; Verletzung des Vertrauensgrundsatzes (amtl. Publ.)

Das BGer stellt im vor­liegen­den Betrei­bungsver­fahren eine Ver­let­zung des Ver­trauen­sprinzips (BV 9) und des Grund­satzes des fair tri­al durch das OGer BE fest. Die Ter­min­pla­nung der unteren Instanz hat­te dazu geführt, dass eine neg­a­tive Fest­stel­lungsklage mit dem Begehren um Sistierung der Konkurs­be­trei­bung so kurzfristig vor der Konkursver­hand­lung stat­tfand, dass eine Anhörung der Gläu­bigerin zur Sistierung vorher nicht möglich war. Darauf wurde eine Sistierung der Betrei­bung aus genau diesem Grund ver­weigert. Wie das BGer eben­falls fes­thält, wäre eine super­pro­vi­sorische Entschei­dung über die Sistierung möglich gewe­sen.

Die Konkursver­hand­lung war auf den 6. Mai anber­aumt. Die Schuld­ner­in leit­ete darauf, am 12. April, eine neg­a­tive Fest­stel­lungsklage iSv SchGK 85a ein. Der Schlich­tungsver­such wurde auf den 7. Mai ange­set­zt und auf Begehren der Schuld­ner­in auf den 5. Mai vorver­legt. Nach erfol­glosem Schlich­tungsver­such über­gab die Schuld­ner­in die aus­for­mulierte Klage sofort an das Gericht und ver­langte die vor­läu­fige Ein­stel­lung der Betrei­bung. Am frühen Mor­gen des 6. Mai nahm das Gericht vom Klageein­gang Ken­nt­nis und wies den Antrag auf vor­läu­fige Ein­stel­lung der Betrei­bung ab; es bleibe keine Zeit mehr, um im Ver­fahren der neg­a­tiv­en Fest­stel­lungsklage vor der Konkur­se­ver­hand­lung die Gegen­partei anzuhören. Anschliessend eröffnete das gle­iche Gericht den Konkurs mit dem Argu­ment, es sei keine Sistierung ver­fügt wor­den. Die Appel­la­tion wurde vom OGer BE abgeschrieben; angesichts der Konkursöff­nung sei eine Sistierung sinnlos.

Dieses Vorge­hen sei “nicht frei von Zynis­mus” und ver­let­ze das Ver­trauen­sprinzip (BV 9) und den Grund­satz des fair tri­al, so das BGer. Die Schuld­ner­in durfte nach Treu und Glauben davon aus­ge­hen, dass vor dem Konkurster­min wenig­stens vor­läu­fig über die Ein­stel­lung der Betrei­bung entsch­ieden werde.

Fern­er wäre eine super­pro­vi­sorische Sistierungsver­fü­gung zuläs­sig gewe­sen. Es ist

selb­stver­ständlich nicht aus­geschlossen [ist], die vor­läu­fige Ein­stel­lung, bei der es sich um eine vor­sor­gliche Mass­nahme han­delt, bei drin­gen­der Gefahr nach den Modal­itäten des kan­tonalen Ver­fahren­srechts vor­ab super­pro­vi­sorisch zu ver­fü­gen und sodann nach Anhörung der Gegen­partei im Rah­men der vor­sor­glichen Mass­nahme zu bestäti­gen oder zurückzunehmen […].”

Nach bernischen Prozess­recht ist die super­pro­vi­sorische Anord­nung fern­er nicht von einem entsprechen­den Parteiantrag abhängig, son­dern liegt im Ermessen des Richters. Dass die dabei erforder­liche drin­gende Gefahr vor­liegend gegeben war, brauche nicht weit­er aus­ge­führt zu werden.