Das BGer stellt im vorliegenden Betreibungsverfahren eine Verletzung des Vertrauensprinzips (BV 9) und des Grundsatzes des fair trial durch das OGer BE fest. Die Terminplanung der unteren Instanz hatte dazu geführt, dass eine negative Feststellungsklage mit dem Begehren um Sistierung der Konkursbetreibung so kurzfristig vor der Konkursverhandlung stattfand, dass eine Anhörung der Gläubigerin zur Sistierung vorher nicht möglich war. Darauf wurde eine Sistierung der Betreibung aus genau diesem Grund verweigert. Wie das BGer ebenfalls festhält, wäre eine superprovisorische Entscheidung über die Sistierung möglich gewesen.
Die Konkursverhandlung war auf den 6. Mai anberaumt. Die Schuldnerin leitete darauf, am 12. April, eine negative Feststellungsklage iSv SchGK 85a ein. Der Schlichtungsversuch wurde auf den 7. Mai angesetzt und auf Begehren der Schuldnerin auf den 5. Mai vorverlegt. Nach erfolglosem Schlichtungsversuch übergab die Schuldnerin die ausformulierte Klage sofort an das Gericht und verlangte die vorläufige Einstellung der Betreibung. Am frühen Morgen des 6. Mai nahm das Gericht vom Klageeingang Kenntnis und wies den Antrag auf vorläufige Einstellung der Betreibung ab; es bleibe keine Zeit mehr, um im Verfahren der negativen Feststellungsklage vor der Konkurseverhandlung die Gegenpartei anzuhören. Anschliessend eröffnete das gleiche Gericht den Konkurs mit dem Argument, es sei keine Sistierung verfügt worden. Die Appellation wurde vom OGer BE abgeschrieben; angesichts der Konkursöffnung sei eine Sistierung sinnlos.
Dieses Vorgehen sei “nicht frei von Zynismus” und verletze das Vertrauensprinzip (BV 9) und den Grundsatz des fair trial, so das BGer. Die Schuldnerin durfte nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass vor dem Konkurstermin wenigstens vorläufig über die Einstellung der Betreibung entschieden werde.
Ferner wäre eine superprovisorische Sistierungsverfügung zulässig gewesen. Es ist
“selbstverständlich nicht ausgeschlossen [ist], die vorläufige Einstellung, bei der es sich um eine vorsorgliche Massnahme handelt, bei dringender Gefahr nach den Modalitäten des kantonalen Verfahrensrechts vorab superprovisorisch zu verfügen und sodann nach Anhörung der Gegenpartei im Rahmen der vorsorglichen Massnahme zu bestätigen oder zurückzunehmen […].”
Nach bernischen Prozessrecht ist die superprovisorische Anordnung ferner nicht von einem entsprechenden Parteiantrag abhängig, sondern liegt im Ermessen des Richters. Dass die dabei erforderliche dringende Gefahr vorliegend gegeben war, brauche nicht weiter ausgeführt zu werden.