Das Bundesgericht hat im vorliegenden Entscheid die Voraussetzungen für eine negative Feststellungsklage zur Abwehr einer ungerechtfertigten Betreibung weiter gelockert. Neu ist das schutzwürdige Interesse an der Feststellung des Nichtbestands einer Forderung grundsätzlich zu bejahen, sobald diese in Betreibung gesetzt wurde, ohne dass der Feststellungskläger konkret nachweisen muss, dass er wegen der Betreibung in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit empfindlich beeinträchtigt wird. Das Bundesgericht hat über diesen Entscheid zudem eine Medienmitteilung publiziert.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die A. AG, ein Inkassounternehmen (Beklagte / Beschwerdeführerin), betrieb den B. (Kläger / Beschwerdegegner) für eine angebliche Forderung über CHF 41’705.00. B. bestritt die Forderung, erhob Rechtsvorschlag und klagte gegen die A. AG auf Feststellung, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht bestehe und dass die Betreibung ohne Schuldgrund angehoben worden sei. Die erste Instanz hiess die Klage insofern gut, als sie feststellte, dass zwischen Kläger und Beklagter kein Rechts- und Schuldverhältnis besteht und dass demzufolge der Kläger den betriebenen Betrag nicht schuldet. Mit Berufung verlangte die Beklagte, auf die Klage sei mangels Feststellungsinteresse über den Nichtbestand der Betreibungsforderung nicht einzutreten. Das Obergericht wies die Berufung ab. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und auf die Klage des Beschwerdegegners sei nicht einzutreten.
Das Bundesgericht erinnerte zunächst an die „Besonderheit des schweizerischen Vollstreckungsrechts“, wonach jedermann eine Betreibung einleiten kann, ohne den Bestand seiner Forderung nachweisen zu müssen, und unabhängig davon, ob tatsächlich eine Schuld besteht (E. 2.1.).
Anschliessend rekapitulierte das Bundesgericht seine Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse bei der (negativen) Feststellungsklage vor Inkrafttreten der neuen ZPO und wies auf die Rechtslage unter Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO hin (E. 2.3.)
Danach verwies das Bundesgericht auf BGE 120 II 20, in welchem es sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt hatte, unter welchen Voraussetzungen der (angebliche) Schuldner ein hinreichendes Interesse auf Feststellung des Nichtbestehens einer Forderung hat, nachdem gegen ihn eine Betreibung eingeleitet wurde (E. 2.4.). Gemäss dieser Praxis war von einer für den Betreibungsschuldner unzumutbaren, ein Feststellungsinteresse begründenden Ungewissheit auszugehen, wenn namhafte Beträge und nicht bloss Bagatellbeträge in Betreibung gesetzt wurden und wenn er darzutun vermochte, dass er konkret aufgrund der Betreibung in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit behindert wird. Dem Gläubiger blieb allerdings der Nachweis offen, dass ihm die Beweisführung gegenwärtig aus triftigen Gründen nicht zuzumuten ist (E. 2.5.).
Das Bundesgericht stellte dann fest, dass diese Rechtsprechung in der Lehre Zustimmung gefunden hatte, dass jedoch verschiedene Autoren für eine noch grosszügigere Haltung plädierten (E. 2.5.). Aufgrund neuerer Entwicklungen kam das Bundesgericht zum Schluss, dass eine weitere Lockerung der Voraussetzungen für die Zulassung der negativen Feststellungsklage gerechtfertigt sei (E. 2.6.). Das Bundesgericht führte schliesslich aus (E. 2.7.):
„Angesichts dieser Entwicklungen und unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Lehrmeinungen […] erscheint es sachgerecht und gerechtfertigt, die in BGE 120 II 20 eingeleitete Praxis weiter zu lockern und das schutzwürdige Interesse an der Feststellung des Nichtbestands der Forderung grundsätzlich zu bejahen, sobald diese in Betreibung gesetzt wurde, ohne dass der Feststellungskläger konkret nachweisen muss, dass er wegen der Betreibung in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit empfindlich beeinträchtigt wird. […] Für den (angeblichen) Gläubiger, der eine Forderung ohne vorherigen Prozess in Betreibung setzt, obwohl sie bestritten ist und er daher mit der Erhebung eines Rechtsvorschlages rechnen muss, ist es zumutbar, diese Forderung in einem Zivilprozess zu verteidigen. Sein Interesse, sich mit der prozessualen Auseinandersetzung bis nach Ablauf der Frist nach Art. 88 Abs. 2 SchKG Zeit zu lassen, hat demjenigen des betriebenen Schuldners, der durch die Betreibung in seiner Kreditwürdigkeit und Reputation beeinträchtigt wird, zu weichen. Zu beachten ist dabei, dass der (angebliche) Gläubiger allemal die Möglichkeit hat, die Betreibung zurückzuziehen; damit entfällt das Rechtschutzinteresse an der negativen Feststellungsklage […].“
Vorbehalten bleibe einzig der Fall, in dem die Betreibung nachweislich einzig zur Unterbrechung der Verjährung eingeleitet werden musste, nachdem der (angebliche) Schuldner die Unterzeichnung einer Verjährungsverzichtserklärung verweigert habe, und die Forderung vom (angeblichen) Gläubiger aus triftigen Gründen nicht sofort im vollem Umfang gerichtlich geltend gemacht werden könne (E. 2.7.).
Die Beschwerde wurde demnach abgewiesen.