6B_497/2010: Täuschung der Behörde; bedarfsgerechte Wohnung

Das Bun­des­gericht hat die Beschw­erde eines Aus­län­ders, der wegen Täuschung der Behörde nach Art. 118 Abs. 1 AuG verurteilt wor­den war, gut­ge­heis­sen und ihn mit Urteil vom 25. Okto­ber 2010 (6B_497/2010) freige­sprochen.

Der Beschw­erde­führer hat­te ein Gesuch um Fam­i­li­en­nachzug für seine Ehe­frau gestellt und einen Mietver­trag für eine 3‑Z­im­mer-Woh­nung beige­fügt. Nach­dem der Antrag bewil­ligt wor­den war, kündigte er die Woh­nung. Seit­dem leben er und seine Frau zusam­men mit seinen Eltern in deren 4½-Zim­mer-Woh­nung. Das OGer SH sah darin eine Täuschung der zuständi­gen Behörde, weil die kan­tonalen Merk­blät­ter zum Fam­i­li­en­nachzug eine “bedarf­s­gerechte” bzw. “angemessene” Woh­nung für die ganze Fam­i­lie vorse­hen und eine von vier Per­so­n­en bewohnte 4½-Zim­mer-Woh­nung dieses Kri­teri­um nicht erfülle.

Das Bun­des­gericht ist ander­er Ansicht. Die kan­tonale Behörde habe ihre Kom­pe­tenz über­schrit­ten, indem sie vom Beschw­erde­führer eine eigen­ständi­ge Woh­nung für ihn und seine Ehe­frau ver­langte. Der Begriff ein­er “bedarf­s­gerecht­en” Woh­nung dürfe nicht über­stra­paziert wer­den, indem kom­fort­able Platzver­hält­nisse gegeben sein müssen. Die konkrete Aus­gestal­tung der Wohn­si­t­u­a­tion unter­liege dem Schutzbere­ich der per­sön­lichen Freiheit:

1.2 […] Eine Woh­nung kann […] auch […] als “tauglich” beze­ich­net wer­den, wenn sie von einem Ehep­aar zusam­men mit den Eltern des einen Ehep­art­ners bewohnt wird. Dies zumin­d­est dann, wenn die Woh­nung über genü­gend Wohn­fläche und eine hin­re­ichende Anzahl Räume ver­fügt, mithin also nicht über­belegt ist. […] Es ste­ht der Behörde nicht zu, den Betrof­fe­nen detail­liert­ere Aufla­gen zu ihrer Wohn­si­t­u­a­tion zu machen und dergestalt in ihre per­sön­liche Frei­heit einzu­greifen. […] Zumin­d­est in gewis­sen Kreisen aus­ländis­ch­er Prove­nienz dürfte es sodann üblich bzw. nor­mal sein, in einem “famil­iären Ver­band” zu leben und auch so zu wohnen (und zwar auch bei in der Schweiz dom­izilierten Ausländern).

Abschliessend weist das Bun­des­gericht darauf hin, dass die Merk­bät­ter zum Fam­i­li­en­nachzug des Kan­tons Schaffhausen sin­nvoller­weise durch einen Hin­weis zu ergänzen seien, dass nicht nur eine eigen­ständi­ge Woh­nung als bedarf­s­gerecht gilt: Dies würde “sowohl eini­gen Gesuch­stellern als auch den Behör­den unnöti­gen Aufwand ers­paren” (E. 1.3).