5D_124/2010: Privatrechtliches Fahrverbot; Zuständigkeit für Erlass und Aufhebung

Ein Grund­stück­seigen­tümer aus dem Kan­ton Zug begehrte im Ver­fahren 5D_124/2010 (Urteil vom 21. Dezem­ber 2010), das Weit­erbeste­hen eines pri­va­trechtlichen Fahrver­bots auf einem über sein Grund­stück führen­den Wald­weg festzustellen. Die betr­e­f­fende Gemeinde hat­te die zuvor mit dem Ver­bot belegte Strasse wieder als öffentlich erk­lärt, und der daraufhin von der Gemeinde angerufene Kan­ton­s­gericht­spräsi­dent stellte fest, dass das Ver­bot auf­grund der Öffentlicherk­lärung hin­fäl­lig ist.

Das Bun­des­gericht erörtert zunächst die rechtliche Bew­er­tung eines pri­va­trechtlichen Fahrverbots:

1.1 Nach der Zuger Gericht­sprax­is han­delt es sich beim Erlass von Ver­boten um eine beson­dere Form des Besitzess­chutzes im Befehlsver­fahren […]. Aus der Sicht des Bun­desrechts sind die Kan­tone befugt, einen zum zivil­rechtlichen hinzutre­tenden admin­is­tra­tiv­en und polizeilichen Schutz des Besitzes als sog. “All­ge­meine Ver­bote” gegen einen unbes­timmten Kreis von Per­so­n­en vorzuse­hen (z.B. § 225 ZPO/ZH, § 309 ff. ZPO/AG u.v.a.m.). Die kan­tonalen Vorschriften, die den Erlass von Ver­boten zum Schutz gegen Besitzesstörun­gen vorse­hen, dür­fen den zusät­zlichen Schutz nur gewähren, wenn die bun­desrechtlichen Voraus­set­zun­gen des Besitzess­chutzes erfüllt sind, d.h. wenn der Gesuch­steller im Sinne von Art. 919 ZGB Besitzer ist und in seinem Besitz durch ver­botene Eigen­macht im Sinne von Art. 928 ZGB gestört wird (vgl. BGE 94 II 348 E. 2 S. 352).


Im vor­liegen­den Fall hat­te der Beschw­erde­führer gerügt, die zivilen Gerichte seien für die Aufhe­bung eines Fahrver­bots nicht zuständig gewe­sen. Das Bun­des­gericht weist darauf hin, dass zwis­chen der sach­lichen Zuständigkeit für den Erlass eines Ver­bots und der sach­lichen Zuständigkeit für die Aufhe­bung des erlasse­nen Ver­bots unter­schieden wer­den muss (E. 3.2); es weist die Beschw­erde auf Grund­lage der hier noch anwend­baren kan­tonalen ZPO ab:

3.2.1 Sach­lich zuständig ist im Befehlsver­fahren der Gericht­spräsi­dent (§ 126 Ziff. 1 und § 127 Abs. 1 ZPO/ZG), d.h. der Kan­ton­s­gericht­spräsi­dent (§ 8 GOG/ZG), der damit auch sog. “All­ge­meine Ver­bote” erlässt. Bet­rifft das Ver­bot eine Strasse im Pri­vateigen­tum und ist eine entsprechende Strassensignal­i­sa­tion erforder­lich, ist für deren Erlass der Kan­ton­s­gericht­spräsi­dent zuständig, wenn es sich um pri­vate Strassen han­delt, hinge­gen der Gemein­der­at, wenn es um öffentliche Strassen geht (§ 21 Abs. 1 und 2 der Verord­nung über den Strassen­verkehr und die Strassensignal­i­sa­tion, BGS/ZG 751.21; vgl. GVP/ZG 2002 S. 216 ff. E. 2). Die Zuständigkeit­sregelung knüpft an die Unter­schei­dung zwis­chen “pri­vat” (Zivil­gerichte) und “öffentlich” (Ver­wal­tungs­be­hör­den) an und stimmt mit Zivil­prozes­sor­d­nun­gen übere­in, die aus­drück­liche Vorschriften über den Erlass von Ver­boten ken­nen […].[…] Das Oberg­ericht durfte deshalb das Kan­ton­s­gericht­sprä­sid­i­um willkür­frei als für den Erlass des Ver­bots sach­lich zuständig betrachten.

3.2.2 Die Frage, wer für die Aufhe­bung des gerichtlich ange­ord­neten Ver­bots zuständig ist, z.B. weil sich seit dessen Erlass der Sachver­halt verän­dert hat, beant­wortet das Ver­fahren­srecht des Kan­tons Zug nicht aus­drück­lich. Ver­gle­ich­bare Zivil­prozes­sor­d­nun­gen, die Vorschriften über die Aufhe­bung eines Ver­bots enthal­ten, erk­lären das Gericht für die Aufhe­bung des Ver­bots als sach­lich zuständig, das auch das Ver­bot erlässt […]. Nach anderen Ver­fahren­sor­d­nun­gen kann die Aufhe­bung des Ver­bots auf dem ordentlichen Zivil­prozess­weg ver­langt wer­den (z.B. § 276 Abs. 3 ZPO/SO) oder durch Fest­stel­lungsklage bewirkt wer­den (z.B. Prax­is des Kan­ton­s­gerichts Graubün­den, PKG 1988 S. 96 E. 2a; […]). Das Begehren um Aufhe­bung eines pri­vat­en Fahr- oder Parkierver­bots kann namentlich damit begrün­det wer­den, dass nach einem entsprechen­den Wid­mungsakt des Gemein­we­sens ein öffentlich­es Fahr- oder Parkier­recht beste­ht […]. Dieser Prax­is hat sich das Oberg­ericht in sein­er amtlich veröf­fentlicht­en Recht­sprechung angeschlossen (vgl. GVP/ZG 2009 S. 292 ff. E. 2). Es durfte das Kan­ton­s­gericht­sprä­sid­i­um deshalb willkür­frei für zuständig hal­ten, von ihm erlassene Ver­bote aufzuheben oder deren Hin­fäl­ligkeit festzustellen.