2C_783/2010: Konkurrentenbeschwerde im Vergaberecht; Doppelrelevanz des Vergabegegenstands im Freihandverfahren (amtl. Publ.)

Das BBL hat­te Microsoft im Feb­ru­ar 2009 im frei­händi­gen Ver­fahren den Liefer­auf­trag für die Ver­längerung der Lizen­zen für den stan­dar­d­isierten Arbeit­splatz Bund und darauf auf­bauende Anwen­dun­gen, Wartung und Third Lev­el Sup­port (höch­ste Sup­port-Eskala­tion­sstufe) vergeben (die NZZ hat­te berichtet). Die Ver­gabe war gestützt auf VöB 13 I c frei­händig erfol­gt, dh man­gels tech­nisch val­abler Alternativen.

Mehrere Open-Source-Anbi­eter hat­ten daraufhin beim BVGer Beschw­erde gegen die frei­händi­ge Ver­gabe erhoben. Das BVGer war darauf nicht einge­treten (Urteil B‑3402/2009): In Anwen­dung der Recht­sprechung zur Konkur­rentenbeschw­erde auf das Ver­gaberecht sei die Beschw­erdele­git­i­ma­tion auf Anbi­eterin­nen der von der Ver­gabestelle nachge­fragten Leis­tung auf dem Markt beschränkt.

Das BGer hält zunächst fest, dass die Beschw­erde gegen eine frei­händi­ge Ver­gabe im Anwen­dungs­bere­ich des BöB zuläs­sig ist, wenn gel­tend gemacht wird, die Ver­gabe hätte nicht frei­händig erfol­gen dür­fen (Präzisierung von BGE 131 I 137).

Wie das BVGer verneint das BGer aber die Beschw­erdele­git­i­ma­tion der Open-Source-Anbi­eterin­nen, die nicht gel­tend gemacht hat­te, Microsoft-Pro­duk­te anbi­eten zu kön­nen; sie hät­ten  im Ver­gabev­er­fahren aber alter­na­tive Soft­warelö­sun­gen anbi­eten wollen. Das BGer hält deshalb zunächst fest, dass die Ver­gabestelle grund­sät­zlich selb­st bes­timmt, was sie beschaf­fen will, und dass mit der sub­mis­sion­srechtlichen Beschw­erde der Ver­wal­tung nicht die Beschaf­fung eines anderen Pro­duk­ts aufgezwun­gen wer­den kann.

Da bei der frei­händi­gen Ver­gabe der Ein­bezug ins Ver­gabev­er­fahren aber naturgemäss nicht ver­langt wer­den, kann mit Beschw­erde behauptet wer­den, das frei­händi­ge Ver­fahren sei über­haupt unzuläs­sig gewe­sen. Dazu sind aber nur poten­tielle Anbi­eter des Beschaf­fungs­ge­gen­standes legimiert. Das bedeutet Folgendes:

Beruft sich — wie hier — die Ver­gabestelle für die Zuläs­sigkeit des Frei­hand­ver­fahrens darauf, dass für den beab­sichtigten Beschaf­fungs­ge­gen­stand gemäss Art. 13 lit. c VöB nur ein Anbi­eter in Frage komme und macht der Beschw­erde­führer dage­gen gel­tend, der Beschaf­fungs­ge­gen­stand sei zu Unrecht so definiert wor­den, dass nur ein Anbi­eter in Frage komme, so muss beschw­erdeweise über­prüf­bar sein, ob die Umschrei­bung des Beschaf­fungs­ge­gen­standes recht­mäs­sig ist. […] Auch hier kann aber mit der Beschw­erde nicht ver­langt oder erre­icht wer­den, dass ein anderes Pro­dukt beschafft wird als das­jenige, das bei zuläs­siger Umschrei­bung des Auf­trags beschafft wer­den soll. Legit­imiert zur Beschw­erde kann daher nur sein, wer ein Pro­dukt anbi­etet, das bei recht­mäs­siger Auss­chrei­bung Beschaf­fungs­ge­gen­stand sein kön­nte, nicht aber, wer gel­tend macht, ein davon ver­schiedenes Pro­dukt anbi­eten zu wollen.”

Damit wird die Umschrei­bung des Ver­gabege­gen­stands dop­pel­rel­e­vant. Das BGer hält es im nachträglichen Ver­wal­tungsver­fahren für irrel­e­vant, ob eine dop­pel­rel­e­vante Tat­sache im Ein­tretenssta­di­um oder in der materiellen Prü­fung erfol­gt (hier liegt eine Ver­fü­gung vor, welche sowohl bei Nichtein­treten als auch Abweisung der Beschw­erde zu einem recht­skräfti­gen Sachentscheid führt).

Das BVGer hat­te die Frage im Ein­tretenssta­di­um geprüft. Dadurch hat es aber nicht die Beweis­last zulas­ten der Beschw­erde­führerin­nen  umgekehrt, denn auch im Sta­di­um der materiellen Prü­fung wäre die Zuläs­sigkeit des Frei­hand­ver­fahrens nicht ein­fach durch die Ver­gabestelle zu beweisen (neg­a­tive Tat­sachen). Im Gegen­teil muss der Dritte, der angemessene Alter­na­tiv­en behauptet, solche Alter­na­tiv­en sub­stan­ti­iert anbi­eten und dar­legen, dass sie angemessen sind. 

In der Sache wirft das BGer den Beschw­erde­führerin­nen vor, dass sie nicht konkret ein Alter­na­tivpro­dukt ange­boten und dessen funk­tionale und wirtschaftliche Gle­ich­w­er­tigkeit nicht dargelegt hät­ten. Es weist die Beschw­erde deshalb ab.