2C_783/2013: Begriff der “Angemessenheit” iSv URG 60; keine Unangemessenheit des GT S (amtl. Publ.)

Aus­gangspunkt des vor­liegen­den Ver­fahrens war die Genehmi­gung des Gemein­samen Tar­ifs S Sender (GT S) durch die ESchK vom 4.11.2010.  Swissper­form hat­te zuvor erfolglos
ver­langt, eine Zif­fer in den Tarif aufzunehmen, wom­it sich die Gebühren
für die Nutzung der ver­wandten Schutzrechte in Sendern mit
Wer­beein­nah­men erhöht hät­ten. Das BVGer wies die fol­gende Beschw­erde der Swissper­form ab, weil nicht glaub­haft war, dass der
genehmigte Wort­laut unangemessen war.

Nach URG 60 II beträgt die Entschädi­gung “in der Regel höch­stens” 10 bzw. 3 %, doch haben die Berechtigten bei ein­er wirtschaftlichen Ver­wal­tung ein “angemessenes Ent­gelt” zu erhal­ten. Das BGer hat hierzu schon früher fest­ge­hal­ten, dass es sich bei den Sätzen von 10 bzw. 3 % in URG 60 II nicht um eine Regelbes­tim­mung, son­dern um eine Höch­st­gren­ze han­delt, die nur über­schrit­ten wer­den darf, wenn die genan­nten Prozentsätze nicht zu einem angemesse­nen Ent­gelt für die Berechtigten führen. Das BGer hat­te sich im vor­liegen­den Entscheid daher mit der Frage zu beschäfti­gen, was “angemessen” i.S.v. URG 60 I bedeutet.

Zunächst hält das BGer fest, dass sich der Begriff der angemesse­nen Entschädi­gung grund­sät­zlich auf drei ver­schiedene Weisen ver­ste­hen lässt:

[Dieser Begriff …] kann als Gegen­satz zu einer
“vollen” Entschädi­gung
zu ver­ste­hen sein […]. Er kann aber auch im Sinne eines “pretium ius­tum
aus­gelegt wer­den, d.h. als eine Entschädi­gung, die ein angemessenes
Einkom­men erlaubt. Bei dieser Vor­gabe kön­nte berück­sichtigt wer­den, dass
die Urhe­bertätigkeit in der Regel auss­chliesslich durch
Urhe­ber­rechtsvergü­tun­gen entschädigt wird, während Inter­pre­ten und
Ton­träger­her­steller daneben oft über weit­ere Ein­nah­men­quellen verfügen.
Schliesslich kann die angemessene Vergü­tung ver­standen wer­den als das
Ent­gelt, das unter Wet­tbe­werb­s­be­din­gun­gen auf dem Markt erzielt werden
könnte […]. 

Das Abstellen auf Wet­tbe­werb­s­be­din­gun­gen überzeugt das BGer allerd­ings nicht:

Allerd­ings ist das Abstellen
auf einen tat­säch­lichen Mark­t­preis kaum möglich, da auf­grund der
oblig­a­torischen kollek­tiv­en Ver­w­er­tung ein Markt, der zu
Ver­gle­ich­szweck­en herange­zo­gen wer­den kön­nte, eben ger­ade nicht besteht […].
Bei ein­er fik­tiv­en Mark­t­sim­u­la­tion wäre zu berück­sichti­gen, dass das
Sys­tem der kollek­tiv­en Ver­w­er­tung den prak­tis­chen Schwierigkeiten
Rech­nung trägt, mit denen das Erfassen von Massennutzungen
urhe­ber­rechtlich geschützter Werke ver­bun­den ist: […]. Die Alter­na­tive zum tar­ifmäs­si­gen Ent­gelt der kollektiven
Ver­w­er­tung wäre für den Rechtein­hab­er im prak­tis­chen Ergeb­nis somit oft
nicht ein höheres, indi­vidu­ell aus­ge­han­deltes Ent­gelt, son­dern eine
gerin­gere oder gar keine Vergü­tung. Das Ermit­teln eines fiktiven
Wet­tbe­werb­spreis­es erscheint damit eher hypo­thetisch. Das von der
Beschw­erde­führerin propagierte Abstellen auf Preise auf
Ver­gle­ichsmärk­ten wiederum wirft sein­er­seits die Frage auf, welche
Märk­te zum Ver­gle­ich herange­zo­gen wer­den sollen und inwiefern die
mass­ge­blichen Ver­hält­nisse dort tat­säch­lich als ver­gle­ich­bar gelten
können. 

Vor diesem Hin­ter­grund hält es das BGer für vertret­bar, wenn der Geset­zge­ber den Begriff der Angemessen­heit auf­grund ein­er poli­tis­chen Wer­tung konkretisiert und dabei den Leis­tungss­chutzrecht­en einen anderen Wert beimisst als den Urhe­ber­recht­en. Eine Ausle­gung, die zur Folge hat, dass generell von der geset­zlichen 10:3 Rela­tion abgewichen wird, wäre nicht geset­zeskon­form (und auch nicht durch den WPPT völk­er­rechtlich geboten).

Vor diesem Hin­ter­grund prüft das BGer sodann die Argu­men­ta­tion des BVGer mit Bezug auf die konkreten Anliegen von Swissper­form betr. den GT S und kommt dabei zum Ergeb­nis, dass eine Unangemessen­heit des Tar­ifs nicht rechts­genü­gend dar­ge­tan war.