zulässige Berücksichtigung von Merkmalen für Eignung und (amtl. Publ.)

Der Abwasserver­band Rotzwinkel hat­te im Amts­blatt des Kan­tons Nid­walden das Pro­jekt “Erneuerung der Prozesss­teuerun­gen und des Leit­sys­tems” aus­geschrieben. Alpiq hat­te ein Ange­bot ein­gere­icht, wurde beim Zuschlag jedoch nicht berück­sichtigt. Alpiq reichte gegen den Zuschlagsentscheid Beschw­erde ein, mit den Argumenten, 

  • dass die Ver­gabestelle die Eig­nungsmerk­male eines Anbi­eters bei der Prü­fung der Zuschlagskri­te­rien nochmals anhand der exakt gle­ichen Merk­male geprüft habe. Dadurch sei eine höhere Punk­tzahl zuge­sprochen wor­den; und
  • dass es rechtswidrig sei, dass die Ver­gabebe­hörde ohne Zus­tim­mung Ref­eren­zangaben betr. Alpiq einge­holt und diese deshalb schlechter bew­ertet hat.

Das BGer hält zunächst fest, dass es sich bei bei­den Fra­gen um Rechts­fra­gen grund­sät­zlich­er Bedeu­tung han­delt.

Mit Bezug auf den ersten Punkt kommt das BGer zum Ergeb­nis, dass Kri­te­rien dur­chaus sowohl bei der Eig­nung als auch beim Zuschlag berück­sichtigt wer­den dür­fen, soweit es nicht um ja/nein-Kri­te­rien geht:

2.2.1. Nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung sind Eig­nungs- und Zuschlagskri­teri­um auseinanderzuhalten […]
2.2.2. Die frühere eid­genös­sis­che Rekurskom­mis­sion für das öffentliche Beschaf­fungswe­sen war anfänglich der Ansicht, dass Unternehmen­saspek­te bzw. Mehreig­nun­gen im Rah­men des Zuschlags nicht mehr berück­sichtigt wer­den dürften; sie hat diese Prax­is jedoch im Laufe der Zeit gelock­ert und unternehmens­be­zo­gene Aspek­te zuge­lassen, wenn sie Ein­fluss auf die Qual­ität des Ange­bots (als Ele­ment der Wirtschaftlichkeit, vgl. Art. 21 Abs. 1 BöB) haben […]. Das Bun­desver­wal­tungs­gericht schliesst eben­falls die Berück­sich­ti­gung ein­er Mehreig­nung im Rah­men der Zuschlagskri­te­rien nicht grund­sät­zlich aus, sofern die Mehreig­nungskri­te­rien einen Bezug zum Pro­jekt aufweisen, wie z.B. Qual­ität, Ref­eren­zen, Aus­bil­dung […]. Auch die Recht­sprechung der Kan­tone lässt mehrheitlich die Berück­sich­ti­gung von anbi­eter­be­zo­ge­nen Zuschlagskri­te­rien zu, jeden­falls wenn es um Aufträge geht, bei denen die Fachkom­pe­tenz des Anbi­eters eine grosse Rolle spielt […].
2.2.3. Rechtsver­gle­ichend ist das Urteil des EuGH i.S. Lianakis vom 24. Jan­u­ar 2008 (Rs. C–532/06, Rz. 30–32) zu erwäh­nen, wonach sich die fach­liche Eig­nung nach den in Art. 31 und 32 der Richtlin­ie 92/50/EWG vom 18. Juni 1992 über die Koor­dinierung der Ver­fahren zur Ver­gabe öffentlich­er Dien­stleis­tungsaufträge genan­nten Kri­te­rien richte, während sich die Erteilung des Zuschlags auf die in Art. 36 Abs. 1 der Richtlin­ie aufgezählten Kri­te­rien stütze. […].
2.2.4. Eig­nungs- und Zuschlagskri­te­rien haben unter­schiedliche Funk­tio­nen: […] Daraus fol­gt, dass in einem ersten Schritt die Eig­nung zu prüfen ist und anschliessend in einem zweit­en Schritt die zuläs­si­gen Offer­ten zu bew­erten sind. Es wäre unzuläs­sig, den ersten Schritt gar nicht durchzuführen und ein Ange­bot, das die Eig­nungskri­te­rien nicht erfüllt, trotz­dem zuzu­lassen […]. Daraus fol­gt aber nicht, dass es unzuläs­sig wäre, im zweit­en Schritt die gle­ichen Kri­te­rien zu berück­sichti­gen wie im ersten. Das macht zwar keinen Sinn bei Eig­nungskri­te­rien, die nur mit Ja oder Nein beant­wortet wer­den kön­nen: Ange­bote, welche das Kri­teri­um nicht erfüllen, sind auszuschliessen, alle anderen wür­den die gle­iche Bew­er­tung erhal­ten. Bei Kri­te­rien, die gradu­ell bew­ertet wer­den kön­nen, ist aber nicht ersichtlich, weshalb es unzuläs­sig sein sollte, eine gewisse Min­destanforderung als Eig­nungskri­teri­um zu ver­lan­gen, eine darüber hin­aus gehende Erfül­lung aber als Zuschlagskri­teri­um zu gewicht­en; es han­delt sich bei dieser Vorge­hensweise nicht um eine Dop­pel­prü­fung, son­dern um eine Prü­fung unter ver­schiede­nen Aspek­ten […]. Es liegt auf der Hand, dass — jeden­falls bei Aufträ­gen, bei denen die Fachkom­pe­tenz eine Rolle spielt — die Qual­ität nicht getren­nt vom Unternehmen und den darin täti­gen Per­so­n­en beurteilt wer­den kann. Eine strik­te Tren­nung zwis­chen unternehmens­be­zo­ge­nen und Wirtschaftlichkeit­saspek­ten, wie sie der EuGH vorgenom­men hat, kann daher nicht überzeu­gen. Zumin­d­est dort, wo es auf fach­liche Eig­nung oder Erfahrung ankommt, ist die Berück­sich­ti­gung ein­er Mehreig­nung im Rah­men des Zuschlags zulässig […].

Im konkreten Fall war es daher nicht unzuläs­sig, die Anzahl Pro­jek­te und Inge­nieure sowohl als Eig­nungs- als auch als Zuschlagskri­teri­um zu verwenden.

Mit Bezug auf die zweite Frage – ob es rechtswidrig ist, wenn die Ver­gabebe­hörde eigen­mächtig (d.h. ohne Zus­tim­mung des Anbi­eters) Ref­eren­zangaben zu Anla­gen eines Anbi­eters ein­holt und auf­grund dieser Ref­eren­zangaben einen Anbi­eter schlechter bew­ertet – hält das BGer fest: 

Das Ver­gaberecht äussert sich nicht aus­drück­lich zur Frage, ob und unter welchen Umstän­den auch Ref­eren­zen einge­holt wer­den dür­fen, die der Anbi­eter nicht angegeben hat. Die Antwort muss sich aus all­ge­meinen Grund­sätzen ergeben: Wie in jedem Ver­wal­tungsver­fahren hat auch im Sub­mis­sionsver­fahren die Behörde grund­sät­zlich den erhe­blichen Sachver­halt von Amtes wegen abzuk­lären […]. Es ist aber auch nicht unzuläs­sig, auf vorhan­dene eigene Ken­nt­nisse und Erfahrungswerte zurück­greifen […] Nach Treu und Glauben wird zwar die Behörde in erster Lin­ie auf diejeni­gen Ref­eren­zen abstellen, die der Anbi­eter angegeben hat; aber es muss ihr grund­sät­zlich erlaubt sein, im Rah­men ihrer Sachver­haltsabklärun­gen auch zusät­zlich zu den Angaben, welche die Anbi­eter gemacht haben, weit­ere Infor­ma­tio­nen einzu­holen.

Dabei sind allerd­ings ver­fas­sungsrechtliche Min­destansprüche zu wahren. Das gilt namentlich für den Anspruch auf rechtlich­es Gehör mit dem Recht auf Aktenein­sicht und dem Recht, sich zu recht­ser­he­blichen Sachver­haltsvor­brin­gen zu äussern, wenn darauf zum Nachteil der Bewer­berin abgestellt wer­den soll [Zusam­men­fas­sung der ein­schlägi­gen Recht­sprechung].

Im konkreten Fall waren Ref­eren­zen einge­holt wor­den und, nach dem Gesagten zuläs­siger­weise, als Eig­nungskri­teri­um und als Zuschlagskri­teri­um ver­wen­det wor­den. Jedoch war Alpiq keine Gele­gen­heit gegeben wor­den, sich zu dieser Ref­erenz zu äussern, wenn darauf zu ihrem Nachteil abgestellt wurde. Die Beschw­erde wurde den­noch abgewiesen, weil die 3 Punk­te, die Alpiq in Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs abge­zo­gen wor­den waren, am Gesamtergeb­nis nichts geän­dert hät­ten. Im Ergeb­nis war der Zuschlagsentscheid deshalb rechtmässig.