Bayer (Schweiz) AG ist mit einer Beschwerde gegen einen Entscheid der Uabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) vor das Bundesgericht gelangt. Die Vorinstanz hatte in drei Sendungen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zu den Gefahren der vierten Generation von Antibabypillen keine Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten und insbesondere des Sachgerechtigkeitsgebots gesehen, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht. Die strittigen Beiträge im Nachrichtenmagazin „10 vor 10“ hatten sich bei der Berichterstattung über die Risiken auf das Bayer-Präparat „Yasmin“ konzentriert, wobei die Redaktion das Beispiel einer Betroffenen in den Vordergrund stellte und eine anwaltschaftliche Sicht einnahm. Das Bundesgericht bestätigte den UBI-Entscheid mit Urteil vom 6. April 2011 (2C_664/2010) und wies die Beschwerde ab.
Es war zu klären, ob die angefochtenen Sendungen die Vorschriften über den Inhalt redaktioneller Sendungen (Art. 4, 5 und 97 Abs. 2 lit. a RTVG) verletzt haben. Das Bundesgericht weist darauf hin, dass redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt Tatsachen und Ereignisse sachgerecht wiedergeben sollen, sodass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann:
2.1.2 […] Ein Beitrag darf insgesamt nicht manipulativ wirken, was der Fall ist, wenn er den (mündigen) Zuschauer in Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten unsachgemäss informiert und sich dieser gestützt auf die gelieferten Informationen oder deren Aufarbeitung kein eigenes Bild mehr machen kann, weil wesentliche Umstände verschwiegen oder “Geschichten” durch das Fernsehen “inszeniert” werden (vgl. das Urteil 2C_291/2009 vom 12. Oktober 2009 E. 4.1 und 4.2 […]). Der Umfang der erforderlichen Sorgfalt hängt von den Umständen, insbesondere vom Charakter und den Eigenheiten des Sendegefässes sowie dem jeweiligen Vorwissen des Publikums ab (BGE 134 I 2 E. 3.3.1; 132 II 290 E. 2.1 S. 292; Urteil 2C_862/2008 vom 1. Mai 2009 E. 5 […]). Das Gebot der Sachgerechtigkeit verlangt nicht, dass alle Standpunkte qualitativ und quantitativ genau gleichwertig dargestellt werden; entscheidend ist, dass der Zuschauer erkennen kann, dass und inwiefern eine Aussage umstritten ist. Ein allgemeines Problem kann in diesem Rahmen — bei geeigneter Einbettung — auch anhand von Beispielen illustriert werden (BGE 131 II 253 E. 2.1 mit Hinweisen).
2.1.3 Die gesetzlichen Programmbestimmungen schliessen weder Stellungnahmen und Kritiken noch den “anwaltschaftlichen Journalismus” aus, bei dem sich der Medienschaffende zum Vertreter einer bestimmten These macht; auch in diesem Fall muss aber die Transparenz im dargelegten Sinn gewahrt bleiben (Urteil 2C_862/2008 vom 1. Mai 2009 E. 5 mit Hinweisen […]). […] Bei der Prüfung der Programmrechtskonformität geht es nicht darum, ob die erhobenen Vorwürfe tatsächlich gerechtfertigt sind oder nicht, sondern um die Frage, ob der Betroffene in einer Art und Weise Stellung nehmen konnte, welche es dem Zuschauer erlaubte, sich ohne manipulative Elemente ein eigenes Bild zu machen.
Bei der Auslegung von Art. 4 RTVG sei den Geboten von Art. 10 EMRK und der entsprechenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Rechnung zu tragen:
2.2. […] Besonders strenge Anforderungen an eine allfällige Beschränkung der Rundfunkfreiheit gelten danach bei Fragen von allgemeinem Interesse […]. Das Bedürfnis, die Medienfreiheit zu beschränken, muss in diesem Zusammenhang jeweils besonders geboten erscheinen […]. Öffentliche Debatten, die sich auf eine hinreichende faktische Basis stützen, sollen im Rahmen von Art. 10 Ziff. 2 EMRK nur ausnahmsweise beschränkt werden. In ihrer Funktion als “öffentliche Wachhunde” (“public watchdog”) haben die Medien — unter Einhaltung der mit ihrer Freiheit verbundenen Pflichten und Verantwortlichkeiten (Art. 10 Ziff. 2 Halbsatz 1 EMRK) — die Aufgabe, Informationen und Ideen zu verbreiten, auch wenn diese kränken, schockieren oder beunruhigen (“offend, shock or disturb […]). Es ist Teil ihrer journalistischen Freiheit, auch in einem gewissen Mass zu überzeichnen und zu provozieren. Für die Zulässigkeit bestimmter Darstellungsformen und Ausdrucksweisen kommt es jeweils darauf an, in welchem Kontext berichtet wird. Scheint eine sachgerechte Berichterstattung und Erklärung gesichert bzw. wird der Gegenstandpunkt gutgläubig und im Rahmen der journalistischen Ethik angemessen berücksichtigt […], so rechtfertigt sich eine Beschränkung der journalistischen Meinungsäusserung mit Blick auf Art. 10 Ziff. 2 EMRK nur ausnahmsweise […].
Die betreffenden Beiträge des Schweizer Fernsehens haben die gesetzlichen Anforderungen nach Auffassung des Bundesgerichts erfüllt, wenngleich sie „in einzelnen Punkten allenfalls anders und möglicherweise auch besser hätten gestaltet werden können“ (E. 4.1). Dies genüge jedoch nicht, um ein aufsichtsrechtliches Einschreiten der UBI aufgrund des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 RTVG zu rechtfertigen:
4.1 […] Der Programmautonomie ist bei der Beurteilung der einzelnen Sendung praxisgemäss insofern Rechnung zu tragen, als ein aufsichtsrechtliches Eingreifen nicht bereits erfolgen darf, wenn ein Beitrag allenfalls nachträglich nicht in jeder Hinsicht voll zu befriedigen vermag, sondern nur, falls er auch bei einer Gesamtwürdigung (vgl. BGE 132 II 290 E. 2.2 S. 293; 114 Ib 204 E. 3a S. 207; Urteil 2C_862/2008 vom 1. Mai 2009 E. 5 in fine […]) die programmrechtlichen Mindestanforderungen verletzt. Die Erfordernisse der Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit sollen im Einzelfall nicht derart streng gehandhabt werden, dass die für die demokratische und pluralistische Gesellschaft erforderliche journalistische Freiheit und Spontaneität verloren gehen. Die in Art. 17 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 3 BV garantierte Autonomie der Medienschaffenden ist nach der Rechtsprechung zu wahren; der ihnen bei der Programmgestaltung zustehende Spielraum verbietet es, aufsichtsrechtlich bereits einzugreifen, wenn eine Sendung nicht in jeder Hinsicht voll befriedigt.