VI ZR 217/10 (BGH): Behandlung eines deutschen Patienten in einem Schweizer Spital – Deutsches oder Schweizer Recht?

Der deutsche Bun­des­gericht­shof (BGH) weist die Klage eines deutschen Patien­ten gegen einen Schweiz­er Arzt wegen unzure­ichen­der Aufk­lärung mit Urteil vom 19. Juli 2011 (VI ZR 217/10) als unbe­grün­det zurück (noch nicht veröf­fentlicht; siehe aber Pressemit­teilung 131/2011 vom gle­ichen Tag). Es ist nicht deutsches, son­dern schweiz­erisches Recht anzuwen­den, weil der Sachver­halt in wesentlich engerem Zusam­men­hang mit der Schweiz­er Recht­sor­d­nung ste­he (vgl. Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Danach sei der angestellte Medi­zin­er aber von jed­er Haf­tung frei; vielmehr hafte der Kan­ton für den Schaden sein­er Beschäftigten (vgl. § 3 Abs. 2 Haf­tungs­ge­setz BS).

Der in Deutsch­land wohn­hafte Kläger war im Basler Uni­ver­sitätsspi­tal zur ambu­lanten Behand­lung, bei der ihm eine medika­men­töse Ther­a­pie in Form von Tablet­ten und Eigen­jek­tio­nen verord­net wur­den. Der Kläger nahm den behan­del­nden Arzt auf Schadenser­satz in Anspruch und wählte die Anwen­dung deutschen Rechts als Recht des Erfol­gsortes gemäss Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (Uner­laubte Hand­lung). Er machte gel­tend, über die mit ein­er Medika­mentenein­nahme ver­bun­de­nen Risiken nicht aus­re­ichend aufgek­lärt wor­den zu sein und an schw­eren Neben­wirkun­gen zu leiden.

Der BGH gab der Vorin­stanz recht und hat entsch­ieden, dass sich die delik­tis­che Haf­tung des Beklagten gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nach Schweiz­er Recht richtet:

Diese Bes­tim­mung ver­drängt als Aus­nah­mebes­tim­mung in beson­ders gelagerten Fällen die all­ge­mein gehal­te­nen Anknüp­fungsregeln der Art. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB – mithin auch das vom Kläger in Anspruch genommene Wahlrecht des Ver­let­zten aus Art. 40 Abs. 1 S. 2. Danach kommt ein anderes Recht zur Anwen­dung, mit dem der zu beurteilende Sachver­halt eine wesentlich engere Verbindung aufweist. Der vor­liegend zu beurteilende Lebenssachver­halt ste­ht mit der gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB an sich zur Anwen­dung berufe­nen deutschen Recht­sor­d­nung in geringem, mit der Schweiz­er Recht­sor­d­nung jedoch in wesentlich engerem Zusam­men­hang. Auch wenn zwis­chen den Parteien kein ver­traglich­es Rechtsver­hält­nis bestand, sind ihre Beziehun­gen zueinan­der maßge­blich durch das zwis­chen dem Kan­ton als Träger des Uni­ver­sitätsspi­tals und dem Kläger beste­hende und in der Schweiz­er Recht­sor­d­nung ver­wurzelte ärztliche Behand­lungsver­hält­nis geprägt.

Der behauptete Aufk­lärungs­fehler unter­lief dem im Spi­tal beschäftigten Arzt im inneren sach­lichen Zusam­men­hang mit der Erfül­lung der sowohl den Kan­ton auf­grund des Behand­lungsver­hält­niss­es mit dem Kläger als auch ihn als behan­del­nden Arzt tre­f­fend­en Pflicht­en, weshalb er nicht in Anspruch genom­men wer­den kann:

Gemäß § 3 Abs. 2 des [Haf­tungs­ge­set­zes] Kan­tons Basel-Stadt […] ist der Beklagte als Beschäftigter des Kan­tons aber von jed­er Haf­tung frei. Gemäß § 3 Abs. 1 Haf­tungs­ge­setz haftet der Kan­ton nach den Bes­tim­mungen des Haf­tungs­ge­set­zes für den Schaden, den sein Per­son­al in Ausübung sein­er amtlichen Tätigkeit Drit­ten wider­rechtlich zufügt.