Das Bundesgericht bestätigt mit Urteil 6B_72/2011 vom 19. Juli 2011 eine Beschwerde gegen die Verurteilung wegen mehrfacher Vernachlässigung von Unterhaltspflichten gemäss Art. 217 StGB, wobei in Anwendung von Art. 53 StGB von einer Bestrafung abgesehen wurde. Der Beschwerdeführer war trotz des Verzichts auf eine Verurteilung durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit beschwerdelegitimiert.
Zum Sachverhalt: In einer Vereinbarung über die Nebenfolgen der Ehescheidung verpflichtete sich der Beschwerdeführer, seiner geschiedenen Ehefrau einen bestimmten monatlichen Unterhaltsbeitrag zu zahlen. In den darauffolgenden Jahren erzielte er weniger Einkommen als zum Zeitpunkt der Vereinbarung, zahlte jedoch den an die Teuerung angepassten und damit zu hohen Unterhaltsbeitrag. Allerdings erfolgten die Zahlungen oft verspätet. Vor dem Bundesgericht machte der Beschwerdeführer geltend, er habe irrtümlich zu hohe Unterhaltsbeiträge entrichtet. Diese jahrelangen Mehrleistungen habe er weder „à fonds perdu“ noch schenkungsweise erbracht, sie seien vielmehr als Vorauszahlungen an die noch nicht fälligen Geldleistungen zu qualifizieren. Die überschiessenden Mehrbeträge habe er sich auf seine später fälligen Unterhaltszahlungen anrechnen lassen dürfen.
Zuerst äussert sich das Bundesgericht zur hier strittigen Strafantragsfrist:
3.3 […] Wenn der Pflichtige während einer gewissen Zeit ohne Unterbrechung schuldhaft die Zahlung der Unterhaltsbeiträge unterlässt, beginnt nach der Rechtsprechung die Antragsfrist erst mit der letzten schuldhaften Unterlassung zu laufen (BGE 132 IV 49 E. 3.1). Der Antrag ist gültig für den Zeitraum, in dem der Täter ohne Unterbrechung den Tatbestand erfüllt hat. Der Strafantragsberechtigte darf daher mit der Stellung des Strafantrages – auch wenn er ihn schon vor Beginn des Fristenlaufs stellen kann – solange unbeschadet zuwarten, als der Unterhaltspflichtige schuldhaft die geschuldeten Beiträge nicht bezahlt. Bei mehreren monatlich geschuldeten Unterhaltsbeiträgen, die während einer bestimmten Zeitspanne nicht geleistet wurden, beginnt daher die Strafantragsfrist beispielsweise erst, wenn der Pflichtige wieder mit Zahlungen beginnt, oder wenn er mangels Leistungsfähigkeit seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen kann (BGE 121 IV 272 E. 2a mit Hinweisen).
Danach beantwortet das Gericht die Frage, ob der Beschwerdeführer seiner Unterhaltspflicht fristgerecht nachgekommen ist:
3.4 […] Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz beschlagen die Zahlungen des Beschwerdeführers nicht das Institut der Verrechnung (Art. 120 ff. OR), sondern die Frage der Anrechnung von Teilzahlungen an bestehende Schulden (Art. 85 ff. OR), zumal sich nicht zwei Forderungen zweier verschiedener Personen gegenüberstehen. Leistungspflichtig ist lediglich der Beschwerdeführer.
Zur Vereinbarung über die Nebenfolgen der Ehescheidung, die keine genauen Zahlungsmodalitäten festlegt, sondern nur von einem „monatlichen und vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag“ spricht, heisst es im Urteil:
3.5 […] Liegt weder eine gültige Erklärung über die Tilgung noch eine Bezeichnung in der Quittung vor, ist nach Art. 87 OR die Zahlung auf die fällige Schuld anzurechnen, unter mehreren fälligen auf diejenige Schuld, für die der Schuldner zuerst betrieben worden ist, und hat keine Betreibung stattgefunden, auf die früher verfallene (Abs. 1). Sind sie gleichzeitig verfallen, so findet eine verhältnismässige Anrechnung statt (Abs. 2). Ist keine der mehreren Schulden verfallen, so wird die Zahlung auf die Schuld angerechnet, die dem Gläubiger am wenigsten Sicherheit darbietet (Abs. 3). Auf den vorliegenden Fall angewendet, sind die geleisteten Mehrbeträge des Beschwerdeführers somit auf die nächst fällige Unterhaltszahlung anzurechnen.
An diesem Ergebnis ändere auch die Tatsache nichts, dass der Beschwerdeführer wegen seines geringeren Einkommens in den Jahren nach dem Scheidungsurteil über einen längeren Zeitraum zu hohe Unterhaltsbeiträge bezahlt habe:
3.8 Gemäss der damaligen Vereinbarung […] trägt er die Beweislast für eine gegenüber der Teuerung geringere Einkommensanpassung […]. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer nie ein entsprechendes Abänderungsbegehren gestellt hat, weshalb seine Unterhaltspflicht unverändert weiter bestand. Über ein allfälliges Abänderungsbegehren oder die Rückzahlung zuviel bezahlter Beiträge hat der Strafrichter nicht zu befinden.