1B_397/2011: Anwaltliche Berufspflichten; standeswidrige Ferien

In seinem Blog “strafprozess.ch” macht Kon­rad Jek­er auf einen bun­des­gerichtlichen Entscheid aufmerk­sam, in der ein Anwalt wegen “standeswidriger Ferien” gerügt wird (Urteil 1B_397/2011 vom 29. August 2011).

Der Strafvertei­di­ger hat­te an seine Beschw­erde fol­gende “Schlusserk­lärung” angefügt:

Ich ersuche, den Ein­gang der Beschw­erde erst nach dem 31.08.2011 schriftlich zu bestäti­gen, aber möglichst rasch zu entschei­den. Bitte nehmen Sie zur Ken­nt­nis, dass ich bis 31.08.2011 im hohen Nor­den abwe­send bin. Die Post wird bis zum 31.08.2011 zurück­be­hal­ten. Soll­ten Sie Fris­ten anset­zen, ersuche ich Sie, diese so anzuset­zen, dass die Post erst nach dem 31.08.2011 bei mir ein­trifft. Für Ihr Ver­ständ­nis danke ich Ihnen bestens”.

Das Bun­des­gericht nimmt an diesem prozes­sualen Ver­hal­ten des Rechtsvertreters Anstoss:

2. […] Es ist mit den Beruf­spflicht­en nicht vere­in­bar, wenn ein Anwalt eine Haftbeschw­erde ein­re­icht, kurz danach für einen Monat in die Ferien ver­reist, es ver­säumt, für eine geeignete Stel­lvertre­tung — wenig­stens bei seinen drin­gend­sten Fällen — zu sor­gen, und statt dessen bei der Beschw­erde­in­stanz beantragt, sie habe zwar “möglichst rasch zu entschei­den”, Bestä­ti­gun­gen des Beschw­erdeein­gangs und allfäl­lige fris­taus­lösende Kor­re­spon­denz seien jedoch erst nach sein­er Rück­kehr aus den Ferien zuzustellen. Das Beschw­erde­v­er­fahren wurde geset­zeskon­form und in Nachachtung des Anspruch­es auf rechtlich­es Gehör sowie des Beschle­u­ni­gungs­ge­botes in Haft­sachen (Art. 5 Abs. 2 StPO, Art. 31 Abs. 4 BV) instru­iert. Soweit die genan­nten Anträge damit unvere­in­bar und standeswidrig sind, ist ihnen keine Folge zu leisten.

Jek­er weist darauf hin, dass der Vertei­di­ger “trotz weit­er­er Rüf­fel” als unent­geltlich­er Rechts­bei­s­tand einge­set­zt und mit 1.500 CHF entschädigt wird.