Im vorliegenden Fall war dem Beschwerdeführer ein Urteil des Kreisgerichts St. Gallen am 18. Mai 2011 avisiert worden. Als Abholfrist war der 26. Mai 2011 angegeben worden, also eine Abholfrist von acht Tagen. Offenbar hatte sich der Postbote verrechnet. Falls dennoch die jetzt gesetzliche Frist von sieben Tagen (ZPO 138 III a; vgl. auch BGG 44 II) galt, so endete die Berufungsfrist am 24. Juni 2011 — einem Freitag. Bei achttätiger Frist endete sie am 27. Juni 2011, dem folgenden Montag (ZPO 142 III).
Das BGer hält zusammengefasst fest, der Postbote sei zwar zuständig zur Festlegung der Abholfrist, aber nicht des Laufs der Rechtsmittelfrist. Nur eine anwaltlich nicht vertretene Partei könnte sich darauf berufen, der Fehler der Post und folglich das Auseinanderfallen von Abholfrist und Zustellungsfiktion sei nicht erkennbar gewesen, weshalb ihr Vertrauen zu schützen sei. Ein Anwalt dagegen hätte bloss ZPO 138 zu konsultieren brauchen, um dem Beginn des Fristenlaufs zu erkennen. Den Anwalt trifft aber auch die Pflicht, die von der Post bezeichnete Abholfrist zu prüfen.
Der Beschwerdeführer begründete die Geltung der versehentlich angegebenen achttägigen Frist damit, dass der Postbote bzw. die Post Erfüllungsgehilfe des Gerichts und der Fehler damit dem Gericht zuzurechnen sei. Das BGer weist diese Auffassung zurück, ähnlich wie in BGE 127 I 31 eine Verlängerung der Abholfrist, wenn die Post von sich aus eine längere Abholfrist gewährt hat:
Auch wenn der Postbote auf der Abholungseinladung versehentlich eine andere als die siebentägige Frist notiert, ändert dies grundsätzlich nichts am Zeitpunkt des Eintritts der Zustellfiktion. Denn dieser bedarf einer klaren, einfachen und einheitlichen Regelung. Es ist deshalb nicht überspitzt formalistisch, die Zustellungsfiktion unabhängig von der postalischen Abholfrist eintreten zu lassen, auch wenn diese ohne Veranlassung durch den Empfänger von der Post spontan oder irrtümlich verlängert wird (BGE 127 I 31 E. 2b S. 34 f. mit Hinweis; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4297).
Schwieriger zu beurteilen war das Argument des aus BV 9 abegeleiteten Schutzes des Vertrauens in behördliche Zusicherungen. Das BGer weist das im Ergebnis aber zurück:
Denn der Postbote, der den Zustellungsversuch unternimmt, ist nur zur Angabe der Abholungsfrist, nicht aber zur Zusicherung von Rechtsmittelfristen zuständig, die nach dem vorstehend Ausgeführten unabhängig von der Abholungsfrist zu laufen beginnen.
So einfach war die Sache aber nicht. Das BGer schützt das Vertrauen des Zustellungsempfängers im Grundsatz nämlich, wenn
das Auseinanderklaffen des Datums der Zustellungsfiktion einerseits und des letzten Tages der Abholfrist andererseits für den Zustellungsempfänger nach dem auf der Abholungseinladung vermerkten Datum des ersten erfolglosen Zustellungsversuchs tatsächlich nicht klar erkennbar war (BGE 127 I 31 E. 3 S. 35 ff.).
Später relativierte das Bundesgericht diese Praxis. Ist der Empfänger nicht anwaltlich vertreten, bestehe die Gefahr, dass die Partei
den tatsächlichen Empfang der Sendung nach dem siebten Tag seit dem erfolglosen Zustellungsversuch als das die Rechtsmittelfrist auslösende Ereignis betrachte; in einem solchen Fall müsse sich die Behörde die Handlungen der Post, die sie bei der Zustellung als Hilfsperson zuzieht, grundsätzlich anrechnen lassen und dürfe der Empfänger auf diese vertrauen (Urteil 1C_85/2010 vom 4. Juni 2010 E. 1.4).
Im gleichen Urteil (1C_85/2010) hatte das BGer festgehalten,
[s]o wie aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung den Parteien keine Nachteile erwachsen dürfen (Art. 49 BGG), darf einer Partei durch falsche Angaben der Hilfsperson, der sich die Behörde bedient, kein Nachteil erwachsen, es sei denn, der Fehler sei offenkundig bzw. für die Partei erkennbar […].
Später habe es diese Frage allerdings offengelassen, wie das BGer jetzt betont (Urteil 2D_37/2010 vom 23. November 2010 E. 3.3). Ob das BGer damit andeuten will, auf diese Praxis zurückkommen zu wollen, ist aber nicht klar. Hier stellte sich diese Frage nämlich nicht, weil der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten war. Der Anwalt hätte “durch blosse Konsultation der massgeblichen Verfahrensbestimmung von Art. 138 ZPO” erkennen können, dass die Sendung am siebten Tag als zugestellt galt und nicht erst am letzten Tag der angegebenen Abholungsfrist.
Den Einwand des Anwalts, es käme “aufgrund des gesunden Menschenverstandes niemandem in den Sinn zu kontrollieren, ob der Zustellbeamte den Abholzettel richtig ausgefüllt hat”, weist das BGer zurück, vor allem in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Abholungsfrist bis zum letzten Tag ausgeschöpft wurde. Der Beschwerdeführer darf sich deshalb von vornherein nicht auf den Vertrauensschutz berufen.