5A_203/2011: Scheidung auf gemeinsames Begehren bei Einreichen eines Antrags im Ausland (amtl. Publ.)

In dem für die amtliche Samm­lung bes­timmten Urteil 5A_203/2011 vom 5. Sep­tem­ber 2011 (frz.) äussert sich das Bun­des­gericht zu der Frage, unter welchen Voraus­set­zun­gen die Bes­tim­mungen über die Schei­dung auf gemein­sames Begehren ana­log anzuwen­den sind, wenn der nicht antrag­stel­lende Ehe­gat­te im Aus­land der Schei­dung aus­drück­lich zus­timmt oder Widerk­lage erhebt.

Die Zus­tim­mung zur Schei­dungsklage bzw. die Widerk­lage war vor Inkraft­treten der eidg. Zivil­prozes­sor­d­nung in Art. 116 ZGB normiert; nun­mehr sieht Art. 292 Abs. 1 ZPO eine entsprechende Regelung vor. Der Wun­sch nach Schei­dung durch den anderen Ehe­gat­ten muss dabei in einem gerichtlichen Ver­fahren zum Aus­druck gebracht wer­den und gegenüber dem Gericht erfol­gen (Urteil 5A_523/2007 vom 10. April 2008 E. 5.1). Nach der bish­eri­gen Recht­sprechung kon­nte Art. 116 ZGB ana­log angewen­det wer­den, wenn ein Schei­dungsver­fahren in der Schweiz anhängig ist und der andere Ehe­gat­te ein iden­tis­ches Ver­fahren im Aus­land eröffnet, wom­it er seinen Willen zeigt, die Ehe aufzulösen, und dem in der Schweiz ein­gere­icht­en Schei­dungsantrag zus­timmt (Urteil 5A_523/2007 vom 10. April 2008 E. 5.1).

Der Ver­weis auf die analoge Anwen­dung der Bes­tim­mungen über die Eheschei­dung auf gemein­sames Begehren bet­rifft ins­beson­dere die For­mvorschriften der Art. 111 und 112 Abs. 2 ZGB , d.h. über die getren­nte und gemein­same Anhörung der getren­nt leben­den Ehe­gat­ten (Urteil 5C.2/2001 vom 20. Sep­tem­ber 2001 E. 5a).

5.2 […] L’ap­pli­ca­tion par analo­gie per­met néan­moins d’adapter les­dites pre­scrip­tions de forme à la nature par­ti­c­ulière de la sit­u­a­tion envis­agée: leur strict respect n’est dès lors pas exigé, l’essen­tiel étant que le juge soit con­va­in­cu du sérieux de la déci­sion des con­joints ain­si que de leur libre arbi­tre (arrêt 5C.2/2001 préc­ité con­sid. 5b […]). La néces­sité d’en­ten­dre ceux-ci peut ain­si être lais­sée au pou­voir d’ap­pré­ci­a­tion du juge (arrêt 5C.2/2001 préc­ité con­sid. 5b […]).

Im vor­liegen­den Fall reichte der Beschw­erde­führer gle­ichzeit­ig mit der Beschw­erdegeg­ner­in, die mit ihrer Schei­dungsklage an das zuständi­ge schweiz­erische Gericht gelangte, einen Antrag auf Schei­dung in Schot­t­land ein. Mit diesem Vorge­hen brachte er aus­drück­lich seine Absicht zum Aus­druck, eben­falls die Auflö­sung der Ehe anzus­treben. Nach­dem die Parteien mehrmals von der ersten Instanz gehört wur­den, war es gerecht­fer­tigt, dass das Gericht davon aus­ging, dass es keinen Zweifel an dem gemein­samen Willen an ein­er Schei­dung gäbe, und die Schei­dung aussprach. Ein­er erneuten Anhörung, wie vom Beschw­erde­führer ver­langt, bedurfte es richtiger­weise nicht. Ent­ge­gen sein­er Ansicht war auch die Bes­tim­mung über die Schei­dung auf Klage eines Ehe­gat­ten nach Art. 114 ZGB nicht anwend­bar, weil die Sache als Schei­dungsklage auf gemein­sames Begehren zu betra­cht­en ist, nach­dem sie zuerst in der Schweiz und danach in Schot­t­land recht­shängig wurde. Die Beschw­erde wird daher vom Bun­des­gericht abgewiesen.