4A_338/2011: Beweis der Überstunden, hier durch Erfassung als transitorische Passiven in der Buchhaltung der Arbeitgeberin

In einem Stre­it um Entschädi­gung von Über­stun­den hat­te das Arbeits­gericht Win­terthur die Klage des ehe­ma­li­gen Arbeit­nehmers abgewiesen, weil es die behaupteten Über­stun­den als unbe­wiesen ansah. Das OGer ZH hat­te dieses Urteil aufge­hoben und die Klage teil­weise gut­ge­heis­sen. Im Unter­schied zum Arbeits­gericht Win­terthur erachtete es die in der Buch­hal­tung der Arbeit­ge­berin aus­gewiese­nen Über­stun­den-Guthaben des Angestell­ten als beweiskräftig. Dage­gen erhob der Arbeit­ge­ber Beschw­erde ans BGer wegen Ver­let­zung von OR 321c i.V.m. ZGB 8.

Das BGer schützt das Urteil des OGer ZH. Es fasst zunächst die anerkan­nten Grund­sätze des Über­stun­den­be­weis­es zusam­men (vor­be­haltlich beson­der­er Regeln, zB nach Art. 21 Ziff. 4 des L‑GAV 2012):

Für die Leis­tung von Über­stun­den trägt der Arbeit­nehmer die Beweis­last. Er hat somit zu beweisen, dass er auf Weisung oder wenig­stens im Inter­esse der Arbeit­ge­berin mehr Zeit aufgewen­det hat, als ver­traglich vere­in­bart oder üblich. Dabei hat er den Nach­weis der Notwendigkeit der Über­stun­den nicht zu erbrin­gen, wenn er beweist, dass die Arbeit­ge­berin über die Leis­tung der Über­stun­den informiert war (BGE 86 II 155 E. 2 S. 157, vgl. auch BGE 116 II 69 E. 4b S. 71). Sofern der Nach­weis erbracht ist, dass Über­stun­den geleis­tet wur­den, ohne dass deren Aus­mass genau bes­timmt wer­den kann, hat das Gericht den Umfang nach Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzen; bei der ermessensweisen Schätzung han­delt es sich um Beweiswürdi­gung bzw. Sachver­halts­fest­stel­lung, welche der Über­prü­fung durch das Bun­des­gericht grund­sät­zlich ent­zo­gen ist (BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276 f. mit Hin­weisen). Die Beweiser­le­ichterung nach Art. 42 Abs. 2 OR kann sodann nicht nur für das Aus­mass der Überzeit, son­dern auch für die Leis­tung als solche anwend­bar sein (BGE 122 II 219 [recte: 122 III 219] E. 3a S. 221 mit Hin­weisen). Voraus­set­zung dafür ist aber, dass sich auf Grund der konkreten Umstände ein genauer Beweis als unmöglich oder unzu­mut­bar erweist. Diese Voraus­set­zung ist nicht schon dann erfüllt, wenn der Beweis im konkreten Fall misslingt. Die fehlende Beweis­barkeit muss aus objek­tiv­en Grün­den vor­liegen (Urteile 4A_40/2008 vom 19. August 2008 E. 3.3, 4C.142/2005 vom 24. August 2006 E. 5.2).

Im vor­liegen­den Fall schützt das BGer die Anwen­dung des Beweis­mass­es der über­wiegen­den Wahrschein­lichkeit durch das OGer ZH, denn es sei

typ­isch und trifft nicht nur im vor­liegen­den Einzelfall zu, dass die eige­nen Aufze­ich­nun­gen oder “Stun­denkon­trollen” des Arbeit­nehmers diesen Beweis nicht zu erbrin­gen ver­mö­gen; es han­delt sich bei der­ar­ti­gen Aufze­ich­nun­gen let­ztlich um Parteibehaup­tun­gen. Auch die Aus­sagen von Zeu­gen wer­den regelmäs­sig das Aus­mass von Über­stun­den schon deshalb nicht beweisen kön­nen, weil Zeu­gen typ­is­cher­weise nicht während der ganzen Arbeit­szeit anwe­send […]. Ent­ge­gen der Ansicht der Beschw­erde­führerin bestand daher auch im vor­liegen­den Fall dur­chaus Anlass für eine Abwe­ichung vom Regel­be­weis­mass, da der Beweis für den Umfang der Über­stun­den durch die eige­nen Aufze­ich­nun­gen des Arbeit­nehmers und die von ihm angerufe­nen Zeu­gen nicht erbracht wer­den konnten.

Dass der Arbeit­ge­ber die Über­stun­den als tran­si­torische Pas­siv­en erfasst hat­te, spielte im Ergeb­nis keine Rolle:

Wenn die Vorin­stanz daher nicht als willkür­lich ansah, dass mit der Ver­buchung von Ferien- oder Über­stun­den-Guthaben eines bes­timmten Arbeit­nehmers als tran­si­torisches Pas­sivum zum Aus­druck gebracht wird, dem betr­e­f­fend­en Arbeit­nehmer ste­he per Ende Jahr ein entsprechen­des Freizeit-Guthaben zu, ist dies nicht zu beanstanden.