4A_415/2011: Entlassung eines Arbeitnehmervertreters aus wirtschaftlichen Gründen bleibt de lege lata zulässig (Bestätigung der Rsp; amtl. Publ.)

Der Tages-Anzeiger hat­te am 14. Feb­ru­ar 2009 informiert, 57 Stellen abzubauen. In der Folge, im Mai 2009. kündigte sie das Arbeitsver­hält­nis mit dem Beschw­erde­führer im vor­liegen­den Ver­fahren, der damals auch Präsi­dent der Per­son­alkom­mis­sion (Peko) des Tages-Anzeigers war. Daraufhin klagte der ehe­ma­lige Mitar­beit­er auf Entschädi­gung wegen miss­bräuch­lich­er Kündi­gung nach OR 336 II lit. b (gewählter Arbeit­nehmervertreter). Das Arbeits­gericht Zürich hiess die Klage im Wesentlichen gut, das OGer wies die Beru­fung dage­gen ab.

Vor BGer war die Frage strit­tig, ob diee Ent­las­sung eines gewählten Arbeit­nehmervertreters (OR 336 II lit. b) aus wirtschaftlichen Grün­den — d.h. ohne dass der Ent­lassene dazu einen Anlass geset­zt hat - zuläs­sig (d.h. nicht grund­sät­zlich miss­bräuch­lich) ist.

Der Beschw­erde­führer hat­te seinen Stand­punkt, dass nur per­sön­liche Gründe als “begrün­de­ter Anlass” im Sinne von OR 336 II lit. b OR in Frage kom­men, his­torisch und tele­ol­o­gisch begrün­det.  Die in BGE 133 III 512 begrün­dete Recht­sprechung, wonach ein Arbeit­nehmervertreter auch  aus wirtschaftlichen Grün­den grund­sät­zlich ent­lassen wer­den könne, soweit kein Zusam­men­hang mit der Tätigkeit als Arbeit­nehmervertreter beste­ht, sei zu ändern. Zumin­d­est sei mit dem Arbeits­gerichts festzuhal­ten, dass objek­tive Gründe als begrün­de­ter Anlass nur dann zuzu­lassen, wenn keine Ver­hand­lun­gen zwis­chen Arbeit­ge­ber­schaft und Arbeit­nehmervertreter anste­hen oder laufen wür­den (was hier aber der Fall sei).

Das BGer hält nach ein­er einge­hen­den Auseinan­der­set­zung mit der Entste­hungs­geschichte und dem Nor­mzweck von OR 336 II b an sein­er Recht­sprechung fest:

6.4 Zusam­men­fassend ergibt sich, dass wed­er eine an der Entste­hungs­geschichte der Norm ori­en­tierte noch eine tele­ol­o­gis­che Inter­pre­ta­tion etwas am bish­er ermit­tel­ten Ausle­gungsergeb­nis ändert. Sinn und Zweck sowie geset­zge­berische Regelungsab­sicht ver­lan­gen nicht nach ein­er über den Wort­laut hin­aus­ge­hen­den Sub­sum­tion des vor­liegen­den Sachver­halts unter die Miss­brauchs­bes­tim­mung. Daran ver­mag der Bericht des Bun­desrates, aus welchem in der Beschw­erde zitiert wird, nichts zu ändern. Die darin geäusserte Kri­tik an der Recht­sprechung beruht insoweit auf einem Missver­ständ­nis, als das Bun­des­gericht dur­chaus anerken­nt, dass der Geset­zge­ber mit Art. 336 Abs. 2 lit. b OR einen erweit­erten Kündi­gungss­chutz für Arbeit­nehmervertreter schaf­fen wollte, indem der Arbeit­ge­ber in diesen Fällen zu beweisen hat, dass er für die Kündi­gung einen begrün­de­ten Anlass hat. Sollen jedoch — nach der im Bericht des Bun­desrates geäusserten Mei­n­ung — wirtschaftliche Gründe im Rah­men der Ent­las­sung eines Arbeit­nehmervertreters als miss­bräuch­lich qual­i­fiziert wer­den, während sie ohne weit­eres zur Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es mit den übri­gen Mitar­beit­ern berechti­gen, so lässt sich dieses Ergeb­nis tat­säch­lich nur durch eine Geset­zesän­derung bew­erk­stel­li­gen. De lege lata ver­bi­etet sich eine solcher­art bevorzu­gende Behand­lung der Arbeit­nehmervertreter. Da zudem verän­derte äussere Ver­hält­nisse oder gewan­delte Recht­san­schau­un­gen seit dem erst vor kurz­er Zeit ergan­genen BGE 133 III 512 — zu Recht — nicht gel­tend gemacht wer­den, sieht sich das Bun­des­gericht mit Blick auf die aktuelle Recht­slage nicht zu ein­er Prax­isän­derung veranlasst.