Das deutsche Energieunternehmen EnBW kaufte 1995 ca. 25% der Aktien eines Unternehmens, dessen Aktiva u.a. aus einem Patent bestanden. Der Kaufpreis entsprach dem entsprechenden Anteil am Unternehmenswert, der seinerseits mit dem Ertragswert (zukünftige Netto-Erträge während einer bestimmten Zeit, mit einem bestimmten Zinssatz kapitalisiert). Die Parteien einigten sich in einer Schiedsvereinbarung später auf eine bestimmte Person als Gutachter. Die EnBW zweifelte dann aber die Neutralität des Gutachters an, nachdem der Verkäufer versucht hatte, diesen zu beeinflussen, und weigerte sich, das Schiedsgutachten anzuerkennen. Weil die Gegenseite nicht auf entsprechende Ansprüche verzichtete, erklärte die EnBW den Rücktritt vom Kaufvertrag und klagte auf Rückzahlung der Anzahlung von rund EUR 25 Mio.
Das BezGer ZH wies die Klage ab, weil ein Rücktrittsrecht fehle. Das OGer wies die Sache an das BezGer ZH zurück: Es müsse noch geprüft werden, ob die Klage vielleicht deshalb (teilweise) gutgeheissen werden könne, weil der vertragliche Kaufpreis tiefer läge als die geleistete Anzahlung; dann könnte ein Anspruch auf Erstattung einer allfälligen Differenz bestehen.
Dadurch hat das OGer ZH, wie das BGer im vorliegenden Urteil festhält, die Dispositionsmaxime (hier noch aus § 54 II aZPO/ZH) willkürlich verletzt. Die EnBW hatte ihr Begehren auf Zahlung von EUR 25 Mio. nämlich klar individualisiert. Das Gericht ist aber an Gegenstand und Umfang des Begehrens gebunden, besonders wenn die Ansprüche im Rechtsbegehren selbst qualifiziert oder beschränkt werden. Dies traf auf das strittige Begehren zu, das Zahlung Zug um Zug gegen Herausgabe bzw. Freigabe der gekauften Aktien verlangte und das Begehren dadurch als Rückabwicklungsanspruch qualifizierte.
Dagegen bestätigt das BGer, dass kein Rücktrittsrecht bestand. Zwar hatte der Aktienverkäufer den Gutachter zu beeinflussen versucht und dadurch eine vertraglichen Nebenpflicht verletzt, aber nur eine solche aus der Schiedsvereinbarung. Dies genüge jedenfalls nicht als Grundlage für einen Rücktritt vom Aktienkaufvertrag wegen Unzumutbarkeit dessen Fortführung. Das BGer konnte die Frage deshalb ausdrücklich offenlassen, ob die Verletzung einer Nebenpflicht als Grundlage eines Vertragsrücktritts überhaupt in Frage kommt:
Mehrheitlich wird die Meinung vertreten, die Verletzung blosser Nebenpflichten berechtige den Gläubiger nur zu Schadenersatz, grundsätzlich nicht aber zur Aufhebung des Synallagma […]. Demgegenüber befürwortet etwa KOLLER […], dass selbst die Verletzung nicht leistungsbezogener Nebenpflichten in Ausnahmefällen zur Vertragsauflösung berechtige.
3.2 Wie es sich damit verhält, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. […]