In einem Strafverfahren empfahl der Vorsitzende der I. Strafkammer des OGer ZH, Vizepräsident Peter Marti, im Verfahren einer Beschwerde gegen den Schuldspruch des BezGer ZH dem Verteidiger, RA Bruno Steiner, mit dem Klienten ernsthaft einen Rückzug der Berufung wegen schlechter Erfolgsaussichten zu diskutieren. Auf die Antwort des Verteidigers, er halte an der Berufung fest, teilte Peter Marti mit, er nehme dies zur Kenntnis, und er werde am weiteren Verfahren nicht mitwirken. In der Folge stellte der Verteidiger den Antrag, sämtliche Mitglieder der I. Strafkammer des OGer hätten wegen des Anscheins der Befangenheit in den Ausstand zu treten. Der Antrag wurde abgewiesen, der Ausstand von Peter Marti dagegen bewilligt. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid hatte das BGer mit BGE 137 I 227 abgewiesen. Dagegen ist der Verteidiger an den EGMR gelangt.
Nachdem in der Folge die Gerichtsbesetzung für die Berufungsverhandlung bekannt wurde, verlangte der Verteidiger den Ausstand bestimmter Richter und des Gerichtsschreibers, worauf der Termin für die Berufungsverhandlung aufgehoben wurde. Die II. Strafkammer des OGer wies das Ausstandsbegehren daraufhin ab. Dagegen gelangt der Verteidiger erneut ans BGer.
Das BGer weist die Beschwerde ab (vgl. auch den Beitrag bei strafprozess.ch). Diese war offenbar u.a. damit begründet worden, dass das Schreiben von Peter Marti, der entsprechende Beschluss des OGer und BGE 137 I 227 in die Berufungsakten aufgenommen worden waren und dass einer der Oberrichter damals vor BGer den Standpunkt der I. Strafkammer vertreten hatte.
Aus Sicht des BGer begründen diese Umstände jedoch nicht den Anschein der Befangenheit der abgelehnten Gerichtspersonen:
Die Auseinandersetzung, welche zu BGE 137 I 227 führte, betrifft das hängige Berufungsverfahren, und es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die daran mitwirkenden Richter an die frühere Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den nunmehr in Ausstand getretenen Oberrichter Marti gebunden fühlen sollten. Die vom Beschwerdeführer verlangte separate Archivierung der Akten betreffend die Ausstandsfrage erscheint unter den vorliegenden Umständen jedenfalls nicht geboten. Auch liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Mitglieder der I. Strafkammer, die sich im ersten Ausstandsverfahren gegen sie im bundesgerichtlichen Verfahren ausführlich zur Ausstandsfrage äusserten, deswegen im Berufungsverfahren befangen sein sollten. Sie waren berechtigt, zur damaligen Beschwerde Stellung zu nehmen und haben sich dabei auf die Ausstandsfrage beschränkt. Daraus kann nicht abgeleitet werden, es bestehe der Anschein der Befangenheit in Bezug auf die materielle Beurteilung der Berufung.