4A_740/2011: Durchführung des Regresses im internationalen Verhältnis; Aktivlegitimation des Regressberechtigten; Unterschieden zw. common law und civil law (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Fall war strit­tig, ob dem zahlen­den Unfal­lver­sicher­er eines Geschädigten ein direk­tes Forderungsrecht gegen den Haftpflichtver­sicher­er des Schädi­gers zukam. Das BGer hat in diesem Fall bere­its entsch­ieden (BGE 134 III 420), dass diese Frage nicht durch das — hier anwend­bare — StVÜ beant­wortet werde. Mass­ge­blich für den Bestand des Regress­rechts sei vielmehr nach IPRG 144 schweiz­erisches und schot­tis­ches Recht (Kumu­la­tion­sstatut - so wird sichergestellt, dass der den Gläu­biger befriedi­gende Schuld­ner kein Rück­griff­s­recht erhält, mit dem er nicht rech­nen kon­nte, und ander­er­seits, dass der Regresspflichtige nicht von uner­warteten Regres­sansprüchen über­rascht wird). Die die Durch­führung des Regress­es erfol­gt — falls über­haupt zuläs­sig — nach dem Forderungsstatut (IPRG 144 II):

(BGE 134 III 420 E. 3.3):

Für die Zuläs­sigkeit und den Umfang des Rück­griffs wird also eine kumu­la­tive Anknüp­fung an das Recht, dem das Ver­hält­nis zwis­chen Gläu­biger und Rück­griffs­berechtigtem unter­ste­ht (Kausal­statut), und an das Recht, dem der Anspruch des Gläu­bigers gegenüber dem Rück­griffsverpflichteten unter­ste­ht (Forderungsstatut), ver­langt […]. Es wird allerd­ings nicht voraus­ge­set­zt, dass bei­de Recht­sor­d­nun­gen dieselbe Art des Rück­griffs vorse­hen, son­dern nur, dass die bei­den Rück­griffs­for­men ver­gle­ich­bar sind […]. Die Durch­führung des nach Abs. 1 zuläs­si­gen Rück­griffs erfol­gt gemäss Abs. 2 der Norm grund­sät­zlich nach dem Forderungsstatut; darunter fällt ins­beson­dere auch die Frage, ob ein unmit­tel­bares Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Haftpflichtver­sicher­er auf den Rück­griffs­berechtigten übergeht.

Zur Fest­stel­lung des schot­tis­chen Rechts  (dem Forderungsstatut) wies es die Sache ans HGer ZH zurück. Dieses bejahte den Regressanspruch. 

Das BGer hält vor­liegend zunächst fest, dass ein Regress­recht besteht:

2.5.2 Gemäss den Fest­stel­lun­gen der Vorin­stanz kann der Ver­sicher­er nach schot­tis­chem Recht nur im Namen des Geschädigten vorge­hen, er kann diesen aber zur Mitwirkung zwin­gen. Auch das schot­tis­che Recht ver­hil­ft dem Regress­berechtigten mithin zur Deck­ung, auch wenn dies nicht über eine Regress­forderung im engen Sinn geschieht, da der Regress­berechtigte lediglich in Stel­lvertre­tung des Geschädigten gegen den Drit­ten vorge­hen kann. Insoweit ist der Regres­sanspruch mit Blick auf Art. 144 Abs. 1 IPRG zuzulassen.

Die Durch­führung des Regress­es musste nach dem schot­tis­chen Forderungsstatut erfol­gen. Nach schot­tis­chem Recht beste­ht indes kein direk­tes Forderungsrecht, wohl aber die Möglichkeit, den Ver­sicherten zur Mitwirkung — mind. zum namentlichen Auftreten als Kläger — zu zwin­gen. Eine solche Möglichkeit kenn das schweiz­erische Prozess­recht aber nicht. Im Ergeb­nis war deshalb, “mit Blick auf die grund­sät­zlichen Unter­schiede in der Stel­lung des Ver­fahren­srechts des Com­mon Law Sys­tems und des kon­ti­nen­taleu­ropäis­chen Civ­il Law Sys­tems”, die Klage des Ver­sicher­ers im eige­nen Namen trotz­dem zuläs­sig. Das BGer schützt dieses Ergebnis:

2.5.5 Das schot­tis­che Recht ver­fol­gt mit der Klage im Namen der Geschädigten im Wesentlichen densel­ben Zweck wie das schweiz­erische Recht, gemäss welchem die Beschw­erdegeg­ner­in im eige­nen Namen hätte kla­gen kön­nen. Mit der Beru­fung auf die man­gel­nde Aktivle­git­i­ma­tion ver­sucht sich die Beschw­erde­führerin ihrer nach bei­den Recht­en vorge­se­henen Zahlungsverpflich­tung zu entziehen, obwohl dem für Art. 144 IPRG zen­tralen Aspekt des Schutzes des im Wege des Regress­es in Anspruch genomme­nen Schuld­ners vor ein­er Ver­schlechterung sein­er Rechtsstel­lung durch ein ihm möglicher­weise unbekan­ntes Recht für das Ver­fahren zwis­chen zwei schweiz­erischen Ver­sicherun­gen keine mass­gebende Bedeu­tung zukommt. Dass die Beschw­erde­führerin befürcht­en müsste, von der Geschädigten für densel­ben Schaden erneut belangt zu wer­den, zeigt sie nicht rechts­genüglich auf. Daher ist im Ergeb­nis nicht zu bean­standen, dass die Vorin­stanz die Aktivle­git­i­ma­tion der Beschw­erdegeg­ner­in bejaht hat.