4A_753/2011: Teilwandelung im CISG; Beweislast für Unvollständigkeit einer Lieferung nach Annahme (amtl. Publ.)

In ein­er inter­na­tionalen Kaufrechtsstre­it­igkeit hält das BGer zunächst fest, dass die Ver­let­zung aus­ländis­chen zwin­gen­den Rechts bei Anwend­barkeit schweiz­erischen Rechts nur dann zur Sit­ten­widrigkeit eines Rechts­geschäfts nach OR 20 I führt, wenn das Geschäft deshalb auch nach schweiz­erisch­er Auf­fas­sung als sit­ten­widrig emp­fun­den wird.

Dies set­zt voraus, dass die ver­let­zte aus­ländis­che Vorschrift Inter­essen des Indi­vidu­ums und der men­schlichen Gemein­schaft von fun­da­men­taler und lebenswichtiger Bedeu­tung schützt oder Rechts­güter in Frage ste­hen, die nach all­ge­mein­er ethis­ch­er Auf­fas­sung schw­er­er wiegen als die Ver­trags­frei­heit (BGE 76 II 33 E. 8 S. 41; vgl. auch Urteil 4C.172/2000 vom 28. März 2001 E. 5d, publ. in: Pra 2001 Nr. 136 S. 812 ff.). Devisen­vorschriften kön­nen ihrem Wesen nach grund­sät­zlich nicht zu den Nor­men dieser Bedeu­tung gerech­net wer­den (BGE 76 II 33 E. 8 S. 41 f.; 80 II 49 E. 3 S. 51 f.). 

Strit­tig war fern­er, ob CISG 51 I (in der Regel nur Teil­wand­lung, wenn nur ein Teil der Ware man­gel­haft ist) voraus­set­zt, dass ein Kaufver­trag mehrere Waren erfasse, die je eine eigen­ständi­ge wirtschaftliche Ein­heit bilden (so die herrschende Ansicht) oder ob diese Bes­tim­mung auch dann anwend­bar ist, wenn der fehlende Teil ein­er Mas­chine oder Anlage ohne Weit­eres aus­tauschbar ist. Das BGer fol­gt im vor­liegen­den Fall der Mehrheitsmei­n­ung und schliesst die Teil­wand­lung betr. ein­er Spin­nerei aus, die als ein­heitliche Pro­duk­tion­san­lage und damit als Sachge­samtheit verkauft wor­den war (der Ein­heit­spreis war ein Indiz dafür). Die einzel­nen funk­tion­snotwendi­gen Bestandteile waren daher keine eigen­ständi­ge wirtschaftliche Einheit.

Bis dahin schützte das BGer das Urteil der Vorin­stanz, des OGer ZG. Es hiess die Beschw­erde den­noch gut. Die Liefer­ung war näm­lich vor­be­halt­los über­nom­men wor­den. Später hat­te die Käuferin gel­tend gemacht, die Liefer­ung sei nicht voll­ständig gewe­sen. Die Beweis­last für die (Un-)Vollständigkeit hat­te das KGer ZG der Verkäuferin aufer­legt. Nach der Recht­sprechung des BGer hätte aber die Käuferin beweisen müssen, dass die Liefer­ung unvoll­ständig war:

Die Parteien stim­men darin übere­in, dass die Beschw­erdegeg­ner­in die ihr geliefer­ten Waren ohne Beizug der Beschw­erde­führerin aus­pack­te. Entsprechend nahm die Vorin­stanz an, die Liefer­un­gen seien mit der Über­nahme durch die Beschw­erdegeg­ner­in in deren alleini­gen Herrschafts­bere­ich gelangt. Danach war einzig diese in der Lage, die Voll­ständigkeit der umfan­gre­ichen Liefer­ung zu prüfen und die entsprechen­den Beweise zu sich­ern, weshalb sie gemäss der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts für die von ihr nachträglich gel­tend gemachte Unvoll­ständigkeit der Liefer­un­gen beweispflichtig ist. Weshalb ihr diese Bewe­is­führung unzu­mut­bar sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal das Fehlen bes­timmter Bestandteile, anders als zum Beispiel die unter­lassene Ver­let­zung eines Konkur­ren­zver­bots, nicht zu den so genan­nten unbes­timmten Neg­a­ti­va zu zählen ist […]. Die Vorin­stanz hat daher die Grund­sätze des CISG zur Beweis­lastverteilung ver­let­zt, indem sie die Beweis­last hin­sichtlich der voll­ständi­gen Liefer­ung der Beschw­erde­führerin auferlegte […].