4A_382/2012: Balkongeländer in privater Liegenschaft von 82 cm Höhe kein Werkmangel; Anlehnen kein bestimmungsgemässer Gebrauch

Das BGer hat­te zu entschei­den, ob die Höhe eines Balkon­gelän­ders bei ein­er 1959 erbaut­en Liegen­schaft von nur 82 cm (nach der 1996 erlasse­nen SIA-Norm 358 wären 100 cm das Min­deste gewe­sen) einen Werk­man­gel darstellt. Dem Stre­it lag ein tödlich­er Sturz über das Gelän­der Unfall zugrunde.

Das BGer hält zunächst all­ge­mein Fol­gen­des fest:

Dass eine Baute im Zeit­punkt ihrer Erstel­lung den Regeln der Baukun­st entspricht, ist für die Frage, ob die Baute man­gel­haft ist, nicht auss­chlaggebend. Denn es kann einen Man­gel im Unter­halt darstellen, wenn die durch den tech­nis­chen Fortschritt indizierten Mass­nah­men zur Reduk­tion der von einem Werk aus­ge­hen­den Gefahren nicht ergrif­f­en wer­den, sofern die entsprechen­den Kosten in einem vernün­fti­gen Ver­hält­nis zum Schutz­in­ter­esse der Benützer und dem Zweck des Werks ste­hen […]. Ander­er­seits reicht die Tat­sache allein, dass eine Baute nicht alle Vorteile der neusten Tech­nik aufweist, nicht aus, um sie als man­gel­haft […]. Zu prüfen ist […]unter Berück­sich­ti­gung der konkreten Umstände, ob die nicht dem neusten Stan­dard entsprechende Werk­saus­führung noch hin­re­ichende Sicher­heit bietet […].

Ein Werk­man­gel liegt vor, wenn das Werk beim bes­tim­mungs­gemässen Gebrauch keine genü­gende Sicher­heit bietet. Der Werkeigen­tümer muss nicht für Miss­bräuche vor­sor­gen. Er darf im Gegen­teil mit einem vernün­fti­gen und nor­malen Ver­hal­ten rech­nen. Er muss ausser­dem nur Aufwen­dun­gen auf sich nehmen, die zur Zweckbes­tim­mung des Werks im Ver­hält­nis stehen.

Vor diesem Hin­ter­grund stellt die geringe Höhe des Balkon­gelän­ders keinen Werk­man­gel dar:

[…] die Frage, ob ein Man­gel vor­liegt, [bes­timmt sich] nach dem Schutzbedürf­nis des Benutzers vor der Gefahr, die von dem Werk aus­ge­ht. Dies­bezüglich spielt im konkreten Fall die Ken­nt­nis der Gegeben­heit­en eine Rolle, denn bei ein­er Nutzung des Balkons gemäss der unter den gegebe­nen Umstän­den zu erwartenden Vor­sicht ging vom Balkon­gelän­der keine wesentliche Gefahr aus. Wenn der Verun­fallte sich trotz der ihm bekan­nten Höhe des Gelän­ders gewohn­heitsmäs­sig auf dieses set­zte oder sich rück­lings daran anlehnte, benutzte er es nicht bes­tim­mungs­gemäss und liess es an der objek­tiv zu erwartenden Vor­sicht man­geln […]. Eine über das vom Verun­fall­ten bewusst einge­gan­gene Risiko hin­aus­re­ichende Gefahr ging vom Gelän­der nicht aus. […] Der Unfall ist somit nicht auf einen Werk­man­gel, son­dern auf eigen­ver­ant­wortlich­es Han­deln des Verun­fall­ten zurückzuführen.