4A_479/2015: Fehlende Signalisation “Schleudergefahr” als Werkmangel nach Art. 58 OR

Eine Motor­rad­fahrerin (Beschw­erdegeg­ner­in) verun­fallte bei Regen auf der Auto­bahn in ein­er Linkskurve im Bere­ich ein­er Baustelle. Sie erlitt leichte Ver­let­zun­gen und klagte beim Kan­ton­s­gericht Luzern gegen die Schweiz­erische Eidgenossen­schaft (Beschw­erde­führerin) als Werkeigen­tümerin der Strasse. Das Kan­ton­s­gericht Luzern hiess die Klage grössten­teils gut. Das Bun­des­gericht wies die dage­gen gerichtete Beschw­erde ab (Urteil 4A_479/2015 vom 2. Feb­ru­ar 2016).

Die Klägerin hat­te gel­tend gemacht, die Baustelle sei zwar mit dem Sig­nal “Baustelle“gekennzeichnet gewe­sen. Gefehlt habe jedoch das Sig­nal “Schleud­erge­fahr”. Die Fahrbahn sei im Bere­ich der Unfall­stelle auf­grund eines wie Öl ausse­hen­den Films sehr rutschig gewe­sen, weshalb es zum Sturz gekom­men sei (E. 3). Die Beschw­erdegeg­ner­in rügte vor Bun­des­gericht, die Vorin­stanz habe zu Unrecht auf­grund der fehlen­den Sig­nal­i­sa­tion “Schleud­erge­fahr” einen Werk­man­gel nach Art. 58 OR angenom­men (E. 6).

Das Bun­des­gericht legte seine bish­erige Recht­sprechung betr­e­f­fend man­gel­hafte öffentliche Strassen in ein­er konzisen Erwä­gung dar (E. 6.1). Es hob her­vor, dass es in erster Lin­ie Sache der einzel­nen Verkehrsteil­nehmer sei, die Strasse mit Vor­sicht zu benützen und sein Ver­hal­ten den Strassen­ver­hält­nis­sen anzu­passen. Das vom Strasseneigen­tümer zu vertretene Sorgfalts­mass sei deshalb her­abge­set­zt. Ein Strassen­verkehrsteil­nehmer dürfe jedoch grund­sät­zlich von ein­er guten und sicheren Strasse aus­ge­hen. Ein Hin­der­nis, das bei zumut­bar­er Aufmerk­samkeit nicht rechtzeit­ig erkan­nt wer­den kann und mit dem nach den Umstän­den nicht gerech­net wer­den muss, muss hin­re­ichend sig­nal­isiert wer­den, sofern es nicht mit zumut­barem Aufwand beseit­igt wer­den kann. Das Fehlen ein­er Sig­nal­i­sa­tion von Gefahren kann daher einen Werk­man­gel darstellen (zum Ganzen E. 6.1).

Im konkreten Fall war unbe­strit­ten, dass die Strasse nicht die nötige Grif­figkeit aufwies, die ein Motor­rad­fahrer bei Regen im Bere­ich ein­er Baustelle erwarten durfte. Mit ein­er der­art rutschi­gen Fahrbahn habe die Beschw­erdegeg­ner­in nicht rech­nen müssen und kön­nen. Zusät­zlich zum Sig­nal “Baustelle” hätte daher auch das Sig­nal “Schleud­erge­fahr” aufgestellt wer­den müssen (zum Ganzen E. 6.2).