Kartellgesetzrevision: Ausgewähltes aus der Session des Ständerates

Der Stän­der­at hat sich in der aktuellen Früh­jahrsses­sion am 21. März 2013 als Erstrat mit der laufend­en Total­re­vi­sion des Kartellge­set­zes befasst (Geschäft Nr. 12.028, siehe auch unseren Bericht zur Botschaft des Bundesrates).

In der Haupt­sache hat sich der Stän­der­at mit den fol­gen­den The­men beschäftigt:

  • Insti­tu­tio­nen­re­form: Der Entwurf des Bun­der­ates sah eine rechtlich scharfe Tren­nung zwis­chen ein­er Anklage- und ein­er Entschei­din­stanz vor. Das heutige Sekre­tari­at der Wet­tbe­werb­skom­mis­sion sollte als Wet­tbe­werb­s­be­hörde die
    kartell­rechtlichen Unter­suchun­gen führen und vor der Entschei­din­stanz, ein­er als Wet­tbe­werb­s­gericht beze­ich­neten Kam­mer des
    Bun­desver­wal­tungs­gericht­es, Anklage erheben. Der Stän­der­at hat diesem Ansin­nen kein Gehör geschenkt und sich mit 29 zu 10 Stim­men für einen Vorschlag sein­er WAK aus­ge­sprochen. Dieser Vorschlag läuft im Wesentlichen auf das Beibehal­ten des beste­hen­den Mod­ells hin­aus (welch­es vom Bun­des­gericht in Sachen Pub­li­Groupe inzwis­chen auch als EMRK-kon­form bestätigt wurde) — wenn auch mit punk­tuellen Änderungen.

    Im Grund­satz bleibt es dem­nach bei der beste­hen­den Nähe zwis­chen Ermit­tlungs- und Entschei­d­be­hörde. Die Wet­tbe­werb­skom­mis­sion soll aber nach dem Beschluss des Stän­der­ates durch den Verzicht auf Ver­bandsvertreter und eine Verkleinerung auf fünf unab­hängige Sachver­ständi­ge “pro­fes­sion­al­isiert” wer­den. Zudem sollen neue Ord­nungs­fris­ten eine Ver­fahrens­beschle­u­ni­gung bewirken.

  • Teilka­rtel­lver­bote: Die vom Bun­desrat anstelle der heuti­gen Ver­mu­tungstatbestände für harte hor­i­zon­tale und ver­tikale Wet­tbe­werb­sabre­den nach Art. 5 Abs. 3 und 4 KG vorgeschla­ge­nen Teilka­rtel­lver­bote sollen entsprechende Ver­fahren vere­in­fachen und beschle­u­ni­gen. Ins­beson­dere soll auf die Ver­mu­tung der Wet­tbe­werb­s­be­sei­t­i­gung und den Nach­weis der Erhe­blichkeit im Einzelfall verzichtet, das Ver­fahren also von vier auf zwei Stufen reduziert wer­den. Die Mehrheit der WAK hat diesen Vorschlag unter­stützt, dem Stän­der­at aber vere­inzelte Anpas­sun­gen des bun­desrätlichen Entwur­fes vorgeschla­gen. Der Bun­desrat unter­stützte diese Anpas­sun­gen. Der Stän­der­at hat sich im Ergeb­nis mit 23 zu 17 Stim­men für diesen
    Mehrheit­santrag und damit für die Ein­führung von Teilkartellverboten
    aus­ge­sprochen.

    Der Mehrheit­santrag umfasste im Wesentlichen fol­gende Änderun­gen: Neu wird im Bere­ich der Recht­fer­ti­gung von Wet­tbe­werb­sabre­den (Art. 5 Abs. 3 E‑KG) erwäh­nt, dass Abre­den “auch in der Form eines gemein­samen Ange­botes” gegebe­nen­falls aus Effizien­z­grün­den gerecht­fer­tigt sein kön­nen. Die WAK hat­te dabei ins­beson­dere Baukon­sor­tien im Hin­terkopf. Im gle­ichen Artikel wurde sodann die Beweis­lastverteilung etwas dif­feren­ziert­er for­muliert. Schliesslich wurde der Entwurf um eine De-min­imis-Klausel ergänzt (dies allerd­ings im Bere­ich der Unter­suchungseröff­nung, Art. 27 Abs. 1bis E‑KG). Dem­nach sollen “Wet­tbe­werb­s­beschränkun­gen, die einen ver­nach­läs­sig­baren Ein­fluss auf den Wet­tbe­werb” haben, nicht aufge­grif­f­en wer­den. Von ein­er solchen wet­tbe­werb­srechtlichen “Belan­glosigkeit” betrof­fe­nen Unternehmen verbliebe aber immer­hin die Möglichkeit, den Zivil­weg zu beschreiten.

  • Miss­brauch­skon­trolle: Die Kon­trolle unzuläs­si­gen Ver­hal­tens mark­t­be­herrschen­der Unternehmen sollte nach Auf­fas­sung des Bun­desrates unverän­dert in das rev­i­dierte Kartellge­setz über­nom­men wer­den. Der Stän­der­at hat demge­genüber Änderun­gen in zwei Punk­ten beschlossen.

    Erstens ist der Stän­der­at einem Einze­lantrag von Stän­der­at Hans Hess gefol­gt, der wiederum auf einem Min­der­heit­santrag beruhte. Dem Antrag Hess zufolge soll ein neu zu schaf­fend­er Art. 7a KG unter dem Titel “Unzuläs­sige Behin­derung des Einkaufs im Aus­land” in Zukun­ft die Ver­weigerung oder Behin­derung von Liefer­un­gen in die Schweiz durch aus­ländis­che Unternehmen unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen für unzuläs­sig erk­lären. Dies nota bene auch ohne Vor­liegen ein­er mark­t­be­herrschen­den Stel­lung. Die neue Bes­tim­mung soll sich­er­stellen, dass Schweiz­er Unternehmen Waren oder Dien­stleis­tun­gen aus
    Staat­en der OECD zu den dort jew­eils gel­tenden Preisen und
    Geschäfts­be­din­gun­gen beziehen kön­nen. Ver­stösse gegen Art. 7a KG wären auf­grund der eben­falls beschlosse­nen Ergänzung von Art. 49a Abs. 1 KG direkt sank­tion­ier­bar. Mit der Annahme des Einze­lantrages Hess wurde die später eben­falls the­ma­tisierte Motion Bir­rer-Heimo (Nr. 11.3984) in den wesentlichen Punk­ten bere­its berück­sichtigt. Der Stän­der­at hat die Motion infolge dessen abgelehnt.

    Zweit­ens hat der Stän­der­at beschlossen, im Bere­ich des Preis- und Kon­di­tio­nen­miss­brauchs die Ein­griff­sss­chwelle zu senken. Nach dem angepassten Wort­laut der Bes­tim­mung soll ein mark­t­be­herrschen­des Unternehmen sich bere­its dann unzuläs­sig ver­hal­ten, wenn es unangemessene Preise oder Geschäfts­be­din­gun­gen fes­tle­gen kann — nicht erst bei der Möglichkeit, dies zu erzwin­gen. Der Stän­der­at reagiert damit auf die Recht­sprechung des Bun­des­gericht­es in Sachen Mobil­funk­ter­minierung, wonach dem Kri­teri­um des “Erzwin­gens” im Anwen­dungs­bere­ich des aktuellen Art. 7 Abs. 2 lit. c KG eine eigen­ständi­ge Bedeu­tung zukommt (Urteile vom 24. Feb­ru­ar 2010 in Rs. 2C-343/2010 und 2C-344/2010, siehe RPW 2011/4, 444 ff., E 4).

  • Zusam­men­schlusskon­trolle: Der Entwurf des Bun­desrates sieht für die Fusion­skon­trolle den Wech­sel vom aktuell gel­tenden qual­i­fizierten Mark­t­be­herrschung­stest zum sog. SIEC-Test vor. Der Mark­t­be­herrschung­stest sei — so Bun­desrat Johann Schnei­der-Ammann — nicht mehr aktuell. Der SIEC-Test sei demgege­genüber mod­ern, inter­na­tion­al erprobt, anerkan­nt und ver­bre­it­et. Die reich­haltige inter­na­tionale Prax­is schaffe zusät­zliche Rechssicher­heit, und die par­al­le­len Mel­dun­gen der Unternehmen im In- und Aus­land wür­den inhaltlich har­mon­isiert und damit vere­in­facht.

    Die Mehrheit der WAK schlug demge­genüber den Wech­sel zu einem ein­fachen Mark­t­be­herrschung­stest vor. Sie ver­trat die Auf­fas­sung, dass mit dem Wech­sel zum SIEC-Test die Grund­lage für eine zu strenge Zusam­men­schlusskon­trolle gelegt würde, da auch Zusam­men­schlüsse unter­sagt wer­den kön­nten, die keine mark­t­be­herrschende Stel­lung begrün­den oder ver­stärken. Der Stän­der­at hat diesen Mehrheit­santrag mit 17 zu 15 Stim­men abgelehnt und sich mit der Kom­mis­sion­s­min­der­heit und dem Bun­desrat für die Ein­führung des SIEC-Tests aus­ge­sprochen.

Im Übri­gen hat der Stän­der­at die vom Bun­desrat im Bere­ich des Wider­spruchsver­fahrens vorgeschla­ge­nen Änderun­gen unverän­dert über­nom­men und sich gegen die Ein­führung von Straf­sank­tio­nen für natür­liche Per­so­n­en gestellt. Let­zteres aus den bere­its vom Bun­desrat in seinem Bericht vom 15. Feb­ru­ar 2012 zur Abschrei­bung der Motion Schweiger (Nr. 07.3856) erläuterten Gründen.

Erwäh­nenswert ist schliesslich, dass der Stän­der­at die vom Bun­desrat vorgeschla­gene Stre­ichung der Wirtschafts­frei­heit aus dem Ingress des Kartellge­set­zes mit 17 zu 10 Stim­men abgelehnt hat. Der Bun­desrat hat­te die vorgeschla­gene Stre­ichung damit begrün­det, dass
die Bes­tim­mung anlässlich der Teil­re­vi­sion 2003 “verse­hentlich” in den
Ingress aufgenom­men wor­den sei. Als Grun­drecht gewähre Art. 27 Abs. 1 BV keine Recht­set­zungskom­pe­tenz, weshalb die Erwäh­nung im Ingress grund­sät­zlich ver­fehlt sei. Der Stän­der­at ist in diesem Punkt jedoch einem Einze­lantrag von Stän­der­at Hans Hess gefol­gt, der in Anbe­tra­cht von Art. 35 Abs. 2 BV ver­mei­den wollte, mit der Stre­ichung der Wirtschafts­frei­heit aus dem Ingress ein falsches Sig­nal zu senden. Es sei ger­ade nicht Ziel des Kartell­rechts, nur den abstrak­ten Wet­tbe­werb zu fördern. Vielmehr habe das Kartell­recht auch dafür zu sor­gen, dass sich die einzel­nen Unternehmen am Wet­tbe­werb frei beteili­gen können. 

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