2C_356/2012: Bewilligungspflichtiger Personalverleih bei Betreuungs- und Haushaltsdiensten in Privathaushalten

Bewil­li­gungspflichtiger Per­son­alver­leih im Sinne des AVG (SR 823.11) liegt vor, wenn eine GmbH einen 24-Stun­den-Ser­vice anbi­etet, bei dem die betreuende Per­son rund um die Uhr bei der zu betreuen­den Per­son weilt, ein Zim­mer bezieht und voll­ständig in deren Pri­vathaushalt eingegliedert wird.

Zur Abgren­zung des Per­son­alver­leihs von einem Auf­tragsver­hält­nis hielt das Bun­des­gericht fol­gen­des fest (BGer. 2C_356/2012 vom 11. Feb­ru­ar 2013, E. 3.2):

Im Rah­men des Ver­lei­hver­trags verpflichtet sich der Personalverleiher
dem­nach nicht zur Erbringung ein­er bes­timmten Arbeit­sleis­tung, die er
durch Hil­f­sper­so­n­en aus­führen lässt, son­dern vielmehr dazu, dass er
entsprechende Arbeit­nehmer sorgfältig auswählt und gegen Ent­gelt dem
Ein­satz­be­trieb unter Ein­räu­mung wesentlich­er Weisungsbefugnisse
über­lässt (Botschaft zu einem rev­i­dierten Bun­des­ge­setz über die
Arbeitsver­mit­tlung und den Per­son­alver­leih, BBl 1985 II 556, Ziff.
233.1; CHRISTIAN DRECHSLER, Per­son­alver­leih: unscharfe Gren­zen, AJP 2010
S. 314 ff.; HUBERT STÖCKLI, “Ménage à trois” bei der Temporärarbeit,
recht 2010, S. 137 ff., 139 ff.; ANDREAS RITTER, Das revidierte
Arbeitsver­mit­tlungs­ge­setz, Diss., 1994, S. 19 ff.). Der wesentliche
Unter­schied zwis­chen Per­son­alver­leih und einem Auftragsverhältnis
beste­ht darin, dass beim Auf­trag kein Sub­or­di­na­tionsver­hält­nis im
arbeit­srechtlichen Sinne zwis­chen dem Dien­stleis­tungser­bringer und dem
Empfänger der Dien­stleis­tung beste­ht (vgl. Art. 321 d OR; vgl. dazu STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 2 ff., 5 zu Art. 321d OR):
Der Beauf­tragte sucht und akquiri­ert seine Ein­sätze für sich selb­st und
ist für ver­schiedene Auf­tragge­ber gle­ichzeit­ig tätig, ohne von einem
einzi­gen Auf­tragge­ber wirtschaftlich oder organ­isatorisch abhängig zu
sein (ROLAND BACHMANN, Verdeck­ter Per­son­alver­leih: Aspek­te zur
rechtlichen Aus­gestal­tung, zur Bewil­li­gungspflicht, zum Konzernverleih
und zum Ver­leih mit Aus­lands­berührung, ArbR 2010, S. 53 ff., 62).
Demge­genüber ist der durch Per­son­alver­leih entliehene Arbeit­nehmer den
Weisun­gen des Drit­ten bzw. des Ein­satz­be­triebs unter­stellt: Er wird in
die Betrieb­sorgan­i­sa­tion eines Drit­ten eingegliedert, wobei Letzterem
dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, Per­so­n­en wie Arbeit­nehmer zu
beschäfti­gen, ohne mit ihnen ein Arbeitsver­hält­nis einzuge­hen; das
Arbeitsver­hält­nis mit dem Ver­lei­her beste­ht fort (BACHMANN, a.a.O., S.
57; vgl. auch CHRISTIAN SENTI, Auf­trag oder Per­son­alver­leih?, St. Galler
Tagung zum Arbeit­srecht vom 30. Novem­ber 2012,
S. 7, abruf­bar unter:
http://www.9450.ch/index.php?option=com_docman&
task=doc_details&gid=50&Itemid=54, besucht am 19. Feb­ru­ar 2013).

Gemäss Bun­des­gericht muss die Abgren­zung in jedem Einzelfall auf­grund des jew­eili­gen Ver­tragsin­halts und der Umschrei­bung der konkreten Tätigkeit im Ein­satz­be­trieb vorgenom­men wer­den, wobei auch Betreu­ungs- und Haushalts­di­en­ste vom AVG erfasst wer­den kön­nen (E. 3.5). In solchen Fällen liegt bewil­li­gungspflichtiger Per­son­alver­leih vor, wenn der Pri­vathaushalt, der die Dien­stleis­tung in Anspruch nimmt, das (zumin­d­est geteilte) Weisungsrecht eines Arbeit­ge­bers ausübt. Das ist dann der Fall, wenn dem Kun­den und Patien­ten das Recht zuste­ht, die geschulde­ten Dien­stleis­tun­gen ein­seit­ig zu konkretisieren (E. 3.6).

Im konkreten Fall strebte die GmbH mit ihrem Dien­stleis­tungsange­bot an, einen Beitrag zur Erhal­tung der Leben­squal­ität von behin­derten und älteren Per­so­n­en zu leis­ten, indem diese Kun­den rund um die Uhr eine Betreu­ungsper­son zur Ver­fü­gung haben, um so möglichst lange im gewohn­ten Umfeld verbleiben und den All­t­ag mit der betreuen­den Per­son bewälti­gen zu kön­nen (E. 4.2.1). Im Vorder­grund standen dabei die jew­eili­gen Bedürfnisse der betreuten Per­son (Kör­perpflege, Hil­feleis­tun­gen beim Duschen usw.) und all­ge­meine Haushalts­di­en­ste (Einkaufen, Kochen, Reini­gungsar­beit­en usw.), die jew­eils nach den spez­i­fis­chen Wün­schen der Kun­den ver­richtet wur­den (E. 4.2.2). Die Haupt­tätigkeit bestand somit in der Erbringung von Haushalts- und Betreu­ungs­di­en­sten nach den Bedürfnis­sen und Wün­schen der betreuten Per­son im Rah­men ein­er voll­ständi­gen Einord­nung der Mitar­beit­er der GmbH in deren Pri­vathaushalt (E. 4.2.2, 4.2.3 und 4.4).