4A_596/2012: Anordnungen des Schiedsgerichts zur Edition von Dokumenten können nicht mit Beschwerde ans Bundesgericht angefochten werden

Im Entscheid 4A_596/2012 vom 15. April 2013 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, welche prozesslei­t­ende Ver­fü­gun­gen mit Beschw­erde ans Bun­des­gericht ange­focht­en wer­den können.

Das Bun­des­gericht erk­lärte ein­lei­t­end, dass die Beschw­erde in Zivil­sachen gemäss Art. 77 BGG i.V.m. Art. 190 — 192 IPRG nur gegen Schied­sentschei­de zuläs­sig sei. Dabei bes­timmt sich nicht nach der äusseren
Beze­ich­nung, son­dern auss­chliesslich nach dem Inhalt der
schieds­gerichtlichen Anord­nung, ob es sich um einen anfechtbaren
Entscheid i.S. der genan­nten Bes­tim­mungen handelt.

Zu den mit Beschw­erde in Zivil­sachen anfechtbaren
Schied­sentschei­den gehören die Endentschei­de, mit denen ein
Schieds­gericht die Klage ganz oder teil­weise gutheisst, abweist oder
darauf nicht ein­tritt
. Anfecht­bar sind weit­er Teilentschei­de, mit denen
das Schiedsver­fahren für einen quan­ti­ta­tiv­en Teil des Streitgegenstands
abgeschlossen wird, indem einzelne stre­it­ige Ansprüche vor­weg umfassend
beurteilt wer­den und das Ver­fahren über die anderen vor­erst ausgesetzt
wird
. Schliesslich kön­nen aus den in Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG
genan­nten Grün­den auch Vor- und Zwis­ch­enentschei­de ange­focht­en werden,
mit denen das Schieds­gericht eine prozes­suale oder materielle Vorfrage
vor­ab geson­dert entschei­det
.
Nicht unter die anfecht­baren Schied­sentschei­de i.S. von Art. 190 IPRG
fall­en demge­genüber die prozesslei­t­en­den Ver­fü­gun­gen, welche das
Schieds­gericht nicht binden und auf die es im Ver­laufe des Verfahrens
wieder zurück­kom­men kann
. Dazu zählen gemäss bun­des­gerichtlich­er Rechtsprechung
etwa der Entscheid des Schieds­gerichts über die Leis­tung des
Kosten­vorschuss­es
sowie Beschlüsse über eine vorüberge­hende Sistierung des Ver­fahrens, wobei let­ztere vor Bun­des­gericht immer­hin dann
ange­focht­en wer­den kön­nen, wenn das Schieds­gericht mit dem Beschluss
über die Sistierung impliz­it auch über seine Zuständigkeit befind­et
.
 
Zu den nicht mit Beschw­erde an das Bundesgericht
anfecht­baren prozesslei­t­en­den Ver­fü­gun­gen gehören weit­er auch
Anord­nun­gen des Schieds­gerichts zur Beweis­er­he­bung, namentlich
betr­e­f­fend die Edi­tion von Urkunde
.
Im konkreten Fall befand das Bun­des­gericht, dass die ange­focht­e­nen Anord­nun­gen des Schieds­gerichts, wonach die Beschw­erde­führerin bes­timmte Doku­mente zu edieren habe, ihre Grund­lage auf dem Prozess­recht haben und prozesslei­t­ende Ver­fü­gun­gen darstellen wür­den, die das Schieds­gericht nicht binden wür­den, son­dern auf die es im weit­eren Ver­lauf des Ver­fahrens zurück­kom­men könne:
3.4 Die Vorin­stanz hat mit den angefochtenen
Pro­ce­dur­al Orders die Her­aus­gabe eines Doku­ments aus dem
Herrschafts­bere­ich der Beschw­erde­führerin ange­ord­net. Sie hat sich dabei
auf Art. 20 Abs. 4 der ICC Schieds­gericht­sor­d­nung (nach­fol­gend: ICC
Rules) sowie Art. 3 Ziff. 10 der IBA-Regeln zur Beweisauf­nahme in der
inter­na­tionalen Schieds­gerichts­barkeit (nach­fol­gend: IBA Rules)
gestützt: 
Gemäss Art. 20 Abs. 4 ICC Rules kann das
Schieds­gericht jede Partei zu jed­er Zeit auf­fordern, zusät­zliche Beweise
beizubrin­gen. Gemäss Art. 3 Ziff. 10 IBA Rules kann das Schiedsgericht
vor Abschluss des Schiedsver­fahrens jed­erzeit jede Partei auffordern,
Doku­mente vorzule­gen. Legt eine Partei ohne trifti­gen Grund ein Dokument
nicht vor, dessen Vor­legung eine andere Partei beantragt oder das
Schieds­gericht ange­ord­net hat, ohne gegen den Antrag auf Vor­legung von
Doku­menten frist­gerecht Ein­wen­dun­gen erhoben zu haben, so kann das
Schieds­gericht gemäss Art. 9 Ziff. 5 IBA Rules daraus fol­gern, dass das
Doku­ment den Inter­essen dieser Partei nachteilig ist.
Zur Begrün­dung der Edi­tion­sanord­nung hat die
Vorin­stanz im ange­focht­e­nen Pro­ce­dur­al Order Nr. 7 aus­ge­führt, dass die
her­auszugebende Liste der Bez­if­fer­ung der Forderungsklage dienen und die
Edi­tion­sanord­nung keineswegs als Voll­streck­ung oder Anwen­dung des
ersten Teilentschei­ds vom 22. Feb­ru­ar 2012 missver­standen wer­den soll.
Die Her­aus­gabeanord­nung stütze sich nicht auf einen materiellrechtlichen
Anspruch, son­dern einzig auf Prozess­recht
(“the list ordered for
pro­duc­tion is not based on a sub­stan­tive claim of Claimant against
Respon­dent, but rather on pro­ce­dur­al rules”). Entsprechend wies die
Vorin­stanz auf die Kon­se­quen­zen der Nicht­be­fol­gung gemäss Art. 9 Ziff. 5
IBA Rules hin
. Im eben­falls ange­focht­e­nen Pro­ce­dur­al Order Nr. 8
bestätigte die Vorin­stanz diese Aus­führun­gen und wies darauf hin, dass
mit der Her­aus­gabeanord­nung die Recht­skraft des Teilentschei­ds vom 22.
Feb­ru­ar 2012 in kein­er Weise berührt werde.
3.5 Die Aus­führun­gen der Vorin­stanz finden
Bestä­ti­gung im Schrift­tum zu den IBA-Regeln zur Beweisauf­nahme in der
inter­na­tionalen Schieds­gerichts­barkeit. Danach sind diese Regeln
auss­chliesslich prozes­sualer, nicht materiell­rechtlich­er Natur
(ZUBERBÜHLER et al., a.a.O., N. 224 zu Art. 3; MATTHIAS SCHERER, The
Lim­its of the IBA Rules on the Tak­ing of Evi­dence in International
Arbi­tra­tion: Doc­u­ment Pro­duc­tion Based on Con­trac­tu­al or Statutory
Rights, Inter­na­tion­al Arbi­tra­tion Law Review 2010 Vol. 13 Issue 5, S.
195; vgl. auch den Überblick bei GARY B. BORN, International
Arbi­tra­tion: Law and Prac­tice, 2012, S. 185 f.). Bei den
Edi­tion­spflicht­en gestützt auf Art. 3 IBA Rules han­delt es sich mithin
um rein prozes­suale Pflicht­en, welche sich von materiell­rechtlichen bzw.
ver­traglichen Her­aus­gabepflicht­en unter­schei­den (ZUBERBÜHLER et al.,
a.a.O., N. 224 zu Art. 3; SCHERER, a.a.O.). Entsprechend stellt die
Edi­tion­sanord­nung eine auss­chliesslich ver­fahrenslei­t­ende Ver­fü­gung dar
(ZUBERBÜHLER et al., a.a.O., N. 224 zu Art. 3). Mit dieser wird weder
eine Vor­frage gek­lärt, deren Beant­wor­tung im Hin­blick auf einen
ver­fahrens­ab­schliessenden Entscheid notwendig ist
(Vor- bzw.
Zwis­ch­enentscheid), noch wird damit ein Teil des Streitgegenstands
abgeschlossen
(Teilentscheid). Die Edi­tionsver­fü­gung bindet das
Schieds­gericht nicht, vielmehr kann dieses im Ver­laufe des Verfahrens
jed­erzeit wieder darauf zurück­kom­men
. Es han­delt sich dabei folglich
nicht um einen anfecht­baren Entscheid i.S. von Art. 77 BGG.