4A_305/2013: Bundesgericht ist an die Feststellung des Schiedsgerichts gebunden, dass die Parteien gemäss deren übereinstimmenden wirklichen Willen eine Schiedsvereinbarung aufheben wollten

Im Entscheid 4A_305/2013 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, ob das Schieds­gericht seine Zuständigkeit zu Recht verneinte, weil es nach erfol­gter Ver­tragsausle­gung zum Schluss gelangte, die Parteien hät­ten eine früher getrof­fene Schiedsvere­in­barung zwis­chen­zeitlich aufgehoben.

Die bei­den Beschw­erde­führerin­nen rügten unter Anrufung von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG, dass sich das Schieds­gericht zu Unrecht für unzuständig erk­lärt habe. Das Schieds­gericht sei auf­grund ein­er nor­ma­tiv­en Ausle­gung von Ver­trags­bes­tim­mungen zum Schluss gelangt, die Parteien hät­ten einen früher geschlosse­nen Ver­trag inklu­sive der darin enthal­te­nen Schiedsvere­in­barung aufge­hoben. Diese Kon­struk­tion eines nor­ma­tiv­en Kon­sens­es durch das Schieds­gericht sei unhalt­bar und ver­let­ze den Grund­satz der Autonomie der Schiedsklausel.

Das Bun­des­gericht fol­gte dieser Argu­men­ta­tion nicht. Zunächst erk­lärte das Bun­des­gericht, dass eine Schiedsvere­in­barung jed­erzeit, d.h. ins­beson­dere auch während des hängi­gen Schiedsver­fahrens, durch form­lose gegen­seit­ige Übereinkun­ft wieder aufge­hoben wer­den kann.

Die Ausle­gung ein­er Schiedsvere­in­barung fol­gt den für die Ausle­gung pri­vater Wil­lenserk­lärun­gen all­ge­mein gel­tenden Grund­sätzen. Mass­gebend ist danach in erster Lin­ie der übere­in­stim­mende tat­säch­liche Wille der Parteien. Diese sub­jek­tive Ver­tragsausle­gung beruht auf Beweiswürdi­gung. Stellt die Vorin­stanz einen von einem übere­in­stim­menden wirk­lichen Partei­willen getra­ge­nen Ver­tragsin­halt fest, so han­delt es sich dabei um eine Sachver­halts­fest­stel­lung, welche für das Bun­des­gericht grund­sät­zlich verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Nur wenn ein übere­in­stim­mender tat­säch­lich­er Wille nicht fest­gestellt wer­den kann, ist die Schiedsvere­in­barung objek­tiviert auszule­gen, d.h. der mut­massliche Partei­wille ist so zu ermit­teln, wie er vom jew­eili­gen Erk­lärungsempfänger nach den gesamten Umstän­den in guten Treuen ver­standen wer­den durfte und musste. Dabei ist der Zeit­punkt des Ver­tragss­chlusses mass­gebend, weshalb bei der Ausle­gung nach dem Ver­trauen­sprinzip nachträglich­es Parteiver­hal­ten nicht von Bedeu­tung ist.

Unter Anwen­dung dieser Grund­sätze urteilte das Bun­des­gericht, dass es sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beschw­erde­führerin­nen bei den Aus­führun­gen des Schieds­gerichts nicht um eine nor­ma­tive, son­dern um eine sub­jek­tive Ver­tragsausle­gung han­deln würde. Beim Schluss des Schieds­gerichts, wonach die im früher geschlosse­nen Ver­trag enthal­tene Schiedsvere­in­barung durch tat­säch­lichen Kon­sens aufge­hoben wor­den sei, han­dle es sich um eine Sachver­halts­fest­stel­lung, welche für das Bun­des­gericht verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG).

 
Das Bun­des­gericht fol­gte auch nicht dem Argu­ment der Beschw­erde­führerin­nen, wonach ihr rechtlich­es Gehör auf­grund ein­er über­raschen­den Recht­san­wen­dung ver­let­zt wor­den sei (E. 4):

Die Beschw­erde­führerin­nen rügen weit­er eine Ver­let­zung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG) durch über­raschende Recht­san­wen­dung, indem das Schieds­gericht den Grund­satz der Autonomie der Schied­sklausel ” neu inter­pretiert” sowie einen “nor­ma­tiv­en Kon­sens” kon­stru­iert habe, ohne dass die Beschw­erde­führerin­nen dazu ange­hört wor­den seien. Auch diese Rüge grün­det auf der unzutr­e­f­fend­en Annahme, dass die Vorin­stanz eine Aufhe­bung der Schiedsvere­in­barung durch nor­ma­tiv­en Kon­sens angenom­men hat. Die Vorin­stanz hat wed­er den Grund­satz der Autonomie der Schied­sklausel neu inter­pretiert noch einen nor­ma­tiv­en Kon­sens kon­stru­iert, son­dern beweiswürdi­gend auf einen tat­säch­lich übere­in­stim­menden Willen zur Aufhe­bung der Schiedsvere­in­barung geschlossen. Darin liegt keine über­raschende Recht­san­wen­dung. Soweit die Beschw­erde­führerin­nen sin­ngemäss auch eine “über­raschende Beweiswürdi­gung” rügen wollen, verken­nen sie schliesslich, dass die vom Bun­des­gericht entwick­el­ten Grund­sätze zur über­raschen­den Recht­san­wen­dung keine analoge Anwen­dung auf die Beweiswürdi­gung find­en (Urteile 4A_214/2013 vom 5. August 2013 E. 4.1, 4.3.1; 4A_538/2012 vom 17. Jan­u­ar 2013 E. 5.1).