4A_355/2013: Schutz des Vertrauens in fehlerhafte Rechtsbelehrung; “grobe prozessuale Unsorgfalt”; schwierige Abgrenzung zw. ZPO 319 I lit. a und lit. b

Das BGer hat sich in einem etwas ver­winkel­ten Fall u.a. zum The­ma des Ver­trauenss­chutzes geäussert. Der Anspruch auf Schutz des Vertrauens 

  • fol­gt aus dem Prinzip von Treu und Glauben,
  • set­zt voraus, dass sich die betrof­fene Partei auf die fehler­hafte Rechtsmit­tel­belehrung ver­lassen durfte, und 
  • ver­langt, dass den Parteien aus ein­er unrichti­gen Rechtsmit­tel­belehrung keine Nachteile erwachsen. 

Musste eine Partei die Unrichtigkeit der Belehrung erken­nen, kann sie sich nicht auf den Schutz berufen. Allerd­ings kann nach der Recht­sprechung nur “eine grobe prozes­suale Unsorgfalt” der betrof­fe­nen Partei oder ihres Anwalts eine unrichtige Rechtsmit­tel­belehrung aufwiegen. Dabei gilt:

  • Die grobe Unsorgfalt ist nach den Umstän­den und den Rechtsken­nt­nis­sen der Partei zu beurteilen. 
  • Bei Anwäl­ten gilt ein stren­ger­er Massstab; sie haben eine “Grobkon­trolle” der Belehrung durch Kon­sul­tierung der anwend­baren Ver­fahrens­bes­tim­mungen vorzunehmen. Dage­gen wird nicht ver­langt, dass neben den Geset­zes­tex­ten auch noch die Recht­sprechung oder Lit­er­atur nachgeschla­gen wird. 

Im vor­liegen­den Fall ging es um eine ver­spätete Beschw­erde gegen die Abweisung von Anträ­gen auf Erhöhung des Kosten­vorschuss­es für die mut­masslichen Gericht­skosten und auf Neuanset­zung ein­er Frist zur Erstat­tung der Klageant­wort durch das BezGer ZH. Das OGer ZH hat­te das Ver­trauen der nicht anwaltlich vertrete­nen Beschw­erde­führerin nicht geschützt und war zu Unrecht auf die ver­spätete Beschw­erde nicht einge­treten. Konkret ging es um ZPO 321 II, wonach die Beschw­erde­frist zur Anfech­tung u.a. prozesslei­t­en­der Ver­fü­gun­gen grds. nur zehn Tage beträgt:

Die Abgren­zung zwis­chen “prozesslei­t­en­den” und “anderen” Entschei­den ist mass­ge­blich für die Rechtsmit­tel­frist gemäss Art. 321 Abs. 2 ZPO, wobei let­ztere Bes­tim­mung in der Lehre als “Stolper­falle” […] beze­ich­net wird. Auch Art. 124 Abs. 1 ZPO hil­ft nur bed­ingt, die prozesslei­t­en­den Ver­fü­gun­gen abzu­gren­zen […]. Überdies lassen sich aus Art. 124 Abs. 1 ZPO nur weit­ere Anhalt­spunk­te gewin­nen, wenn die entsprechen­den Kom­men­tierun­gen beige­zo­gen wer­den, wozu die Beschw­erde­führerin nicht verpflichtet war.

Zudem war die Beschw­erde­führerin angesichts der unter­schiedlichen äusseren Form des Entschei­ds (vor­erst prä­sidi­al und dann kol­le­gial) nicht gehal­ten, aus der Rechtsmit­tel­belehrung der vor­ange­hen­den prä­sidi­alen Kau­tionsver­fü­gung (10 Tage) abzuleit­en, dass das Bezirks­gericht bei der Rechtsmit­tel­belehrung zwis­chen den einzel­nen Dis­pos­i­tivz­if­fern (u.a. Zwis­ch­enentschei­de) hätte unter­schei­den müssen.