4A_408/2013: Örtliche Zuständigkeit bei internationalen Rückversicherungsverträgen (amtl. Publ.)

Im Leit­entscheid 4A_408/2013 vom 17. Jan­u­ar 2014 hat­te das Bun­des­gericht zu entschei­den, wo der Erfül­lung­sort der charak­ter­is­tis­chen Leis­tung im Zusam­men­hang mit einem inter­na­tionalen Rück­ver­sicherungsver­trag zu liegen kommt. Zu prüfen war, worin die charak­ter­is­tis­che Ver­tragsleis­tung bei einem Rück­ver­sicherungsver­trag beste­ht und welche Ver­tragspartei diese wo erbringt (E. 3). 

Im vor­liegen­den Fall war der Erfül­lung­sort der charak­ter­is­tis­chen Leis­tung kon­ven­tion­sau­tonom zu bes­tim­men (E. 4). Dieser Ort befind­et sich gemäss Bun­des­gericht regelmäs­sig am Sitz des Rück­ver­sicher­ers (E. 7). Das Bun­des­gericht erwog im Wesentlichen das Folgende:

6.4. Die Beschw­erde­führerin bean­standet die vorinstanzliche
Annahme nicht, dass es der Rück­ver­sicher­er sei, der die
ver­tragscharak­ter­is­tis­che Leis­tung erbringe. Sie hält aber dafür, die
Vorin­stanz habe Art. 5 Ziff. 1 Bst. b LugÜ ver­let­zt, indem sie
fest­ge­hal­ten habe, die vor­liegend rel­e­vante Leis­tung des
Rück­ver­sicher­ers sei eine reine Geldleis­tung, weshalb der Erfüllungsort
für diese Leis­tung am Sitz des rück­ver­sicherten Erstver­sicher­ers die
örtliche Zuständigkeit für die vor­liegende Klage begründe. Massgebend
für die Zuständigkeits­frage sei die Leis­tung des Rück­ver­sicher­ers in
ihrer Gesamtheit. Die Reduk­tion auf eine reine Geldleis­tung stelle eine
nicht gerecht­fer­tigte Sim­pli­fizierung der Leis­tung des Rückversicherers
dar. Die mass­ge­bliche Dien­stleis­tung der Risikoüber­nahme umfasse als
Ganzes viel mehr als die reine Geldleis­tung, näm­lich im Gegen­satz zur
Ansicht der Vorin­stanz ein ganzes Bün­del an Dien­stleis­tun­gen, den
Ver­sicherungss­chutz insgesamt. […]

 

6.4.2. […] Die Leis­tung des Rück­ver­sicher­ers umfasst — wie die Beschwerdeführerin
zu Recht betont — sowohl die Gefahrtra­gung als auch die Geldleis­tung bei
Ver­wirk­lichung der Gefahr. Das über­nommene Risiko ver­wirk­licht sich nun
aber in der Mehrzahl der Fälle pro Ver­sicherungspe­ri­ode nicht und es
kommt dementsprechend in den meis­ten Fällen nicht zu ein­er Geldleistung
des Rück­ver­sicher­ers. Richtig bese­hen beste­ht die (unbe­d­ingte) Leistung
des Rück­ver­sicher­ers als Gegen­leis­tung zur Prämie denn auch in erster
Lin­ie in der Gefahrtra­gung (Bil­dung ein­er Gefahrenge­mein­schaft mit dem
Erstver­sicher­er) bzw. in der Gewährung ein­er bes­timmten Sicher­heit als
Dauer­leis­tung. Dies bed­ingt den Unter­halt eines entsprechenden
Ver­wal­tungsap­pa­rates und vor allem die Aufrechter­hal­tung ein­er dauernden
Liq­uid­ität zur Erfül­lung der Geldleis­tungspflicht im Falle eines
Ver­sicherungsereigniss­es, wobei diese Liq­uid­ität den mit den
abgeschlosse­nen Rück­ver­sicherungsverträ­gen über­nomme­nen Risiken zu
entsprechen hat. Diese Leis­tung des Rück­ver­sicher­ers ist für den
Erstver­sicher­er von grösster Bedeu­tung
und ermöglicht es diesem erst,
sein Prämien­vol­u­men konkur­ren­zfähig auszubauen und dabei gesetzliche
und/oder behördliche Aufla­gen zum Nach­weis des geforderten
Leis­tungs­stan­dards in Form von Solv­abil­itätss­pan­nen zu erfüllen; sie
ent­lastet als flex­i­bles Finanzierungsin­stru­ment die Pas­siv­seite seiner
Bilanz und dient als Sub­sti­tu­tion von Eigenkap­i­tal. Als 
haupt­säch­liche charak­ter­is­tis­che Leis­tung oder Kern­leis­tung des
Rück­ver­sicher­ers erscheint danach — ent­ge­gen der Vorin­stanz — nicht die
Geldzahlung im Schaden­fall, son­dern die Über­nahme der Gefahr bzw. das
Ver­mit­teln ein­er bes­timmten Sicher­heit durch den Rück­ver­sicher­er unter
Wahrung sein­er darauf zugeschnit­te­nen per­ma­nen­ten Leis­tungs­bere­itschaft
[…]. In erster Lin­ie dafür — und nicht bloss für
die Geldzahlung im Schaden­fall — leis­tet der Erstver­sicher­er die
Rück­ver­sicherung­sprämie an den Rückversicherer. 

Diese Leis­tung erbringt der Rück­ver­sicher­er aller
Wahrschein­lichkeit nach an seinem Sitz und nicht am Sitz des
Erstver­sicher­ers, so dass der Sit­zort des Rück­ver­sicher­ers als
zuständigkeits­be­grün­den­der Erfül­lung­sort nach Art. 5 Ziff. 1 Bst. b
zweit­er Spiegel­strich LugÜ zu betra­cht­en ist.