4A_113/2014: Erfüllungsort zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach LugÜ (amtl. Publ.)

Ein Maschi­nen-Inge­nieur mit Wohn­sitz im Kan­ton Zürich machte vor Han­dels­gericht Zürich mehrere Forderun­gen aus ver­schiede­nen Verträ­gen und abge­tretene Ansprüche gegen die A. SA gel­tend. Die A. SA ist eine Aktienge­sellschaft nach pol­nis­chem Recht, die im Lan­des­gericht­sreg­is­ter in Polen einge­tra­gen ist. Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit. Das Han­dels­gericht bejahte jedoch seine Zuständigkeit (Urteil 4A_113/2014 vom 15 Juli 2014).

Das Bun­des­gericht hat­te im Wesentlichen zu entschei­den, ob die Vorin­stanz die Zuständigkeit zu Recht aus dem Gerichts­stand am Erfül­lung­sort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ abgeleit­et hat­te (E. 3.1). Die Vorin­stanz kam zum Schluss, der Erfül­lung­sort sei für alle Verträge Zürich (E. 3.2). Das Bun­des­gericht schützte die Recht­sauf­fas­sung des Han­dels­gerichts und wies die Beschw­erde ab.

Zu bes­tim­men war der Erfül­lung­sort ver­schieden­er Dien­stleis­tungsverträge im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b zweit­er Spiegel­strich LugÜ (E. 4 und 5) sowie eines Kaufver­trages über Stam­man­teile ein­er GmbH (“Pur­chas­ing Agree­ment”; E. 6).

  • Betr­e­f­fend die Dien­stleis­tungsverträge aus­drück­lich offen lassen kon­nte das Bun­des­gericht die in der Lehre kon­tro­vers disku­tierte Frage, nach welchem Recht sich die Gültigkeit ein­er Erfül­lung­sortsvere­in­barung richtet (E. 4.1). Das Bun­des­gericht hielt ins­beson­dere fest, dass der Erfül­lung­sort durch Ver­tragsausle­gung ermit­telt wer­den könne und es somit kein­er aus­drück­lichen Vere­in­barung über den Erfül­lung­sort bedarf (E. 4.4.2). Zur Bes­tim­mung des Erfül­lung­sortes ist bei Dien­stleis­tungsverträ­gen mass­gebend, welch­es der vere­in­barte Tätigkeit­sort ist (E. 5.3.1). Sind ver­traglich mehrere Tätigkeit­sorte vere­in­bart wor­den, ist auf den haupt­säch­lichen ver­traglichen Tätigkeit­sort abzustellen (E. 5.3.2). Dieser Ort lag im konkreten Fall in der Schweiz.
  • Bezüglich des Ver­trages zum Verkauf von Stam­man­teilen ein­er GmbH kon­nte das Bun­des­gericht offen lassen, ob sich der Erfül­lung­sort nach Art. 5 Nr. 1 lit. a oder lit. b LugÜ richtet (E. 6.2). Unbe­strit­ten war, dass der Erfül­lung­sort für bei­de Forderun­gen aus dem “Pur­chas­ing Agree­ment” in der Schweiz lag, wenn der Fall nach Art. 5 Nr. 1 lit. a LugÜ beurteilt wird (E. 6.2). Wird demge­genüber von einem Recht­skauf im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b LugÜ aus­ge­gan­gen, war für das Bun­des­gericht mass­gebend, dass für die Abtre­tung der Stam­man­teile die Zus­tim­mung der Gesellschafter­ver­samm­lung erforder­lich war und diese Ver­samm­lung in der Schweiz stat­tfand (E. 6.2.2). Vor Bun­des­gericht nicht gel­tend gemacht wurde, dass über die Stam­man­teile eine Urkunde auszustellen war, die zur Erfül­lung des “Pur­chas­ing Agree­ment” nach Polen zu übersenden gewe­sen wäre. Das Bun­des­gericht liess deshalb aus­drück­lich offen, ob der Erfül­lung­sort in einem solchen Fall in Polen gewe­sen wäre (E. 6.2.2).