4A_445/2015: Einfache Gesellschaft (Konkubinat); internationale Zuständigkeit (amtl. Publ.)

Der Erblass­er X. wurde in Frankre­ich geboren, erwarb die Schweiz­er Staat­sange­hörigkeit durch Heirat, liess sich später schei­den und lebte danach unge­fähr 17 Jahre lang mit Z. im Kan­ton Waadt zusammen.

X. ver­starb in Flori­da (USA), hat­te damals aber sein offizielles Dom­izil in Dubai (Vere­inigte Ara­bis­che Emi­rate). Die Erben von X. sind dessen Söhne X.A. und X.B., die ihren Wohn­sitz in Madrid (Spanien) bzw. in Lyon (Frankre­ich) haben.

Der Erblass­er hat­te zu Lebzeit­en zahlre­iche Büch­er veröf­fentlicht, ver­schiedene Pro­duk­te und Dien­stleis­tun­gen kom­merzial­isiert und eine Web­seite mit Club betrieben. Er war Inhab­er zahlre­ich­er Bankkon­ten in der Schweiz und besass Liegen­schaften in Por­tu­gal, Brasilien, Dubai, Mia­mi und in der Schweiz.

Frau Z. machte gel­tend, sie sei die Konku­bine von X. gewe­sen und habe mit diesem eine ein­fache Gesellschaft gebildet betr­e­f­fend die geschäftlichen Aktiv­itäten von X. Die bei­den Söhne bestrit­ten diese Sach­darstel­lung, worauf Z. in der Waadt vor der Cham­bre Pat­ri­mo­ni­ale Vau­doise auf Auflö­sung der ein­fachen Gesellschaft und Ein­set­zung eines Liq­uida­tors klagte. Das Ver­fahren wurde vor­erst auf die Frage der Zuständigkeit beschränkt.

Die Cham­bre Pat­ri­mo­ni­ale verneinte seine Zuständigkeit und trat auf die Klage nicht ein. Das Appel­la­tion­s­gericht (Cour d’ap­pel civile du Tri­bunal can­ton­al du can­ton de Vaud) bejahte indessen die Zuständigkeit und wies die Stre­it­sache an die erste Instanz zurück. Die dage­gen erhobene Beschw­erde wies das Bun­des­gericht ab (Urteil 4A_445/2015 vom 23. Juni 2016).

Das Bun­des­gericht unter­suchte zuerst, ob die Stre­it­sache auf­grund von Art. 1 Abs. 2 lit. a LugÜ vom Anwen­dungs­bere­ich des Lugano-Übereinkom­mens aus­geschlossen war (E. 4.2) und verneinte das Vor­liegen ein­er solchen Aus­nahme (E. 4.2.2 und 4.2.3).

Danach verneinte das Bun­des­gericht eine auss­chliessliche Zuständigkeit nach Art. 22 Ziff. 2 LugÜ (E. 5 und E. 5.2). Die Klägerin hat­te nicht dargelegt, dass die von ihr gel­tend gemachte ein­fache Gesellschaft mit­tels Gesellschaftsver­trag nach Art. 150 IPRG organ­isiert war und ihren Sitz in der Waadt hat­te (E. 5.2 und 5.3).

Das Bun­des­gericht bejahte aber schliesslich eine Zuständigkeit nach Art. 5 Ziff. 1 lit. a LugÜ am ver­traglichen Erfül­lung­sort (E. 6). Da für den gel­tend gemacht­en Gesellschaftsver­trag keine Rechtswahl getrof­fen wurde, unter­lag die ein­fache Gesellschaft nach Art. 117 Abs. 1 IPRG dem Recht des Staates, zu der sie den eng­sten Zusam­men­hang aufwies (E. 6.1.4). Bei­de Konku­bi­natspart­ner lebten jahre­lang in der Schweiz und die beru­flichen Aktiv­itäten von X. wiesen einen engen Zusam­men­hang mit der Schweiz auf, weshalb eine Zuständigkeit am Erfül­lung­sort der Liq­ui­da­tions­forderung und damit am Wohn­sitz von Z. in der Waadt gegeben war (E. 6.2.2).