5A_815/2013: Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Kindesschutzmassnahme (Bestätigung der Rspr.; amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht hat bei der Anwen­dung von Art. 454 ZGB seine bish­erige Recht­sprechung zu aArt. 429a ZGB bestätigt (Urteil 5A_815/2013 vom 9. Jan­u­ar 2014; amtl. Publ.), wonach es auf Begehren um Fest­stel­lung der Wider­rechtlichkeit der für­sorg­erischen Frei­heit­sentziehung, ins­beson­dere auf Fest­stel­lung der Ver­let­zung der Garantien der EMRK nicht ein­trat, sobald die betrof­fene Per­son aus der für­sorg­erischen Frei­heit­sentziehung ent­lassen wor­den war (siehe zur alten Prax­is BGE 136 III 497 E. 1.1 S. 499 und E. 2.4 S. 501).

Mit Ein­führung des neuen Kindes- und Erwach­se­nen­schutzrechts am 1. Jan­u­ar 2013 ist aArt 429a ZGB durch den seit­dem gel­tenden Art. 454 ZGB erset­zt wor­den. Danach hat die im Rah­men behördlich­er Mass­nah­men des Erwach­se­nen­schutzes durch wider­rechtlich­es Han­deln oder Unter­lassen ver­let­zte Per­son einen Anspruch auf Schaden­er­satz und, sofern es die Schwere der Ver­let­zung recht­fer­tigt, einen Anspruch auf Genug­tu­ung (Art. 454 Abs. 1 ZGB).

2.2 […] Mit Blick auf den prak­tisch gle­ich­lau­t­en­den Wort­laut der nun­mehr gel­tenden Bes­tim­mung über­nahm das Bun­des­gericht die unter aArt. 429a ZGB entwick­elte Recht­sprechung. Es tritt somit auch unter dem neuen Recht auf Begehren um Fest­stel­lung der Wider­rechtlichkeit bzw. der Ver­let­zung der durch die EMRK garantierten Rechte nicht ein und ver­weist die Betrof­fe­nen auf die Klage nach Art. 454 ZGB, sobald sie aus der Ein­rich­tung ent­lassen wor­den sind (Urteil 5A_290/2013 vom 3. Juni 2013 E. 1.2). 

Im Gegen­satz zu aArt. 429a ZGB ist der gel­tende Art. 454 ZGB nicht nur auf den Bere­ich der für­sorg­erischen Unter­bringung beschränkt: Er regelt die direk­te kausale Staat­shaf­tung in einem umfassenden Sinn, indem er nun­mehr Anord­nung, Durch­führung oder Unter­las­sung irgen­dein­er Erwach­se­nen­schutz­mass­nahme durch einen Man­dat­sträger oder die zuständi­ge Behörde erfasst.

2.3 […] Da die Erwach­se­nen­schutzbe­hörde in Per­son­alu­nion auch Kindess­chutzbe­hörde ist (Art. 440 Abs. 3 ZGB), sind die Bes­tim­mungen über die Ver­ant­wortlichkeit auch auf Mass­nah­men im Kindess­chutz anwend­bar (Botschaft des Bun­desrates zur Änderung des Schweiz­erischen Zivilge­set­zbuch­es [Erwach­se­nen­schutz, Per­so­n­en­recht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 Ziff. 2.3.5, S. 7092 […]).

Auch in casu recht­fer­tigte es sich im Lichte dieses erweit­erten Gel­tungs­bere­ichs, die Anwen­dung der bish­er unter dem Gesichtswinkel der für­sorg­erischen Unter­bringung entwick­el­ten Recht­sprechung auf den vor­liegen­den Fall zu über­tra­gen: Die Beschw­erde­führer wur­den hin­sichtlich ihrer Begehren um Fest­stel­lung der Wider­rechtlichkeit der Anord­nung der von ihnen gerügten “Kindess­chutz­mass­nah­men” bzw. der Wider­rechtlichkeit des Ver­fahrens der Kinder­schutzbe­hörde auf die Klage nach Art. 454 ZGB zu verwiesen.