Im vorliegenden Verfahren hatte die Inhaberin dreier Wortmarken, die das Zeichen “G5” enthalten und u.a. in Klasse 5 für pharmazeutische Produkte eingetragen sind, ihrer Gegnerin verbieten lassen wollen, das (von dieser als Marke für Nahrungsergänzungsmittel registrierte) Zeichen “G5” zur Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmitteln zu verwenden. Das HGer AG hatte die Klage abgewiesen, weil pharmazeutische Produkte und Nahrungsergänzungsmittel nicht gleichartig seien.
Dagegen wandte sich die Klägerin zunächst mit dem Argument, aus den Richtlinien des IGE für Markensachen ergebe sich, dass eine Marke für alle Waren und Dienstleistungen (DL) einer Klasse registriert werden könne, indem einfach nur die Nr. der betreffenden Klasse angegeben werde oder indem sämtliche Waren und DL aufgeführt werden. Das sei hier der Fall; sie habe die Marken für alle Produkte eintragen lassen, die damals (2006) in Klasse 5 vorgesehen waren. Nahrungsergänzungsmittel seien erst in der 10. Aufl. der Internat.
Waren- und Dienstleistungsklassifikation dazugekommen (2013). Da die Marke für die gesamte Klasse 5 gelte, müsse sie auch Nahrungsergänzungsmittel erfassen.
Das BGer weist diese Argumentation zurück:
Sind lediglich die Klassennummern angegeben, werde angenommen, dass der Hinterleger die in der Nizza-Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe der betreffenden Klassen beanspruche (Richtlinien in Markensachen des IGE, Ausgabe vom 1. Juli 2012, S. 29). Diese Annahme kann selbstverständlich nur für diejenigen Oberbegriffe gelten, die zum Hinterlegungszeitpunkt in der betreffenden Klasse vorgesehen waren. Sie darf nicht auf alle in Zukunft eventuell hinzukommenden Oberbegriffe der betreffenden Klasse erstreckt werden. Sonst würde derjenige, der sich bemüht, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Einzelnen präzise zu bezeichnen, benachteiligt, weil er gezwungen wäre, bei einem später hinzukommenden Produkt die gleiche Marke mit einem angepassten Warenverzeichnis zu hinterlegen, eine spätere Erweiterung des Verzeichnisses aber zu einer Verschiebung des Hinterlegungsdatums führt (Art. 29 Abs. 2 MSchG).
Aus demselben Grund kann eine automatische Schutzausdehnung auf später in einer Klasse hinzukommende Oberbegriffe auch nicht Platz greifen, wenn der Hinterleger — wie vorliegend die Beschwerdeführerin für ihre Marke […] — alle im Hinterlegungszeitpunkt in der betreffenden Klasse 5 vorgesehenen Waren und Dienstleistungen aufgeführt hat.[…]
Sodann sind Nahrungsergänzungsmittel und pharmazeutische Produkte nicht gleichartig:
Bei der Prüfung, ob ein Produkt unter einen verwendeten Oberbegriff subsumiert werden kann, sind insbesondere der allgemeine Sprachgebrauch und auch “ökonomische Gesichtspunkte” zu berücksichtigen […]. Bereits die oben zitierte gesetzliche Definition des Begriffs “Nahrungsergänzungsmittel” ([Hinweis auf die V des EDI über Speziallebensmittel]) hebt sich klar ab von derjenigen der “Arzneimittel” [Hinweis auf HMG 4 I a]. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden Nahrungsergänzungsmittel und pharmazeutische Produkte klar auseinander gehalten. Dabei spielt namentlich deren unterschiedliche Funktion bzw. Wirkungsweise […] eine entscheidende Rolle. […] Die verschiedene Wirkungsweise aufgrund ihrer unterschiedlichen Inhalts- bzw. Wirkstoffe darf nicht ausgeblendet werden, bildet diese doch gerade der Grund für die Unterstellung der pharmazeutischen Produkte unter die strenge Heilmittelgesetzgebung. Aber auch ökonomische Gesichtspunkte sprechen für die Interpretation der Vorinstanz, kann doch nicht gesagt werden, dass einem branchentypischen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auch diejenige von pharmazeutischen Produkten als logisches Sortiment zugerechnet werden und umgekehrt.
Sodann erheischen die von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Standpunkts angeführten Entscheide des IGE bzw. der “European Trademark Authority” keine andere Beurteilung, zumal nicht dargetan ist, dass diese Entscheide genau die gleiche Fragestellung wie die vorliegende betreffen. Schliesslich zeigt die explizite Aufführung von “Nahrungsergänzungsmitteln” in der Klasse 5 in der 10. Ausgabe (2013) der Nizza-Klassifikation gerade, dass diese Produkte nicht als bereits vom schon vorher vorgesehenen Oberbegriff “pharmazeutische Erzeugnisse” erfasst betrachtet wurden.
Die Beschwerdeführerin hatte für ihre Zeichen im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel sodann ein Weiterbenutzungsrecht i.S.v. MSchG 14 geltend gemacht, jedoch erfolglos, weil der erforderliche ernsthafte Gebrauch prozessual nicht erwiesen war. In diesem Zusammenhang finden sich Ausführungen des BGer zur richterlichen Fragepflicht und dazu, dass das Angebot, “wenn nötig” tausende von Rechnungen vorzulegen, keine taugliche Beweisofferte darstelle. Dieses Angebot sollte bloss im Eventualfall aktuell werden. Ein solches Vorgehen könne die gerichtliche Fragepflicht nicht auslösen.