4A_528/2013: ePostSelect (fig.) nicht originär unterscheidungskräftig; BVGer hat originäre und derivative Unterscheidungskraft vermischt (amtl. Publ.)

Das BGer hat die Beschw­erde gegen das Urteil des BVGer i.S. ePost­S­e­lect (betr. Ein­tra­gung der Marke Nr. 51077/2012 “ePost­S­e­lect (fig.)” mit dem Far­banspruch gelb, schwarz (im Even­tu­al­begehren präzisiert als “schwarz, gelb (RAL 1004, Pan­tone 116 C/109U)”) im vor­liegen­den Urteil gutgeheissen.

Nr. 51077/2012 “ePost­S­e­lect (fig.)”

Die schweiz­erische Post hat­te diese Marke im März 2012 für Waren und Dien­stleis­tun­gen in den Klassen 9, 38 und 42 hinterlegt.

1. Das IGE hat­te das Zeichen für alle beansprucht­en Waren und Dien­stleis­tun­gen zurück­gewiesen. Es werde als “exk­lu­sive elek­tro­n­is­che Post” ver­standen und sei damit beschreibend bzw. anpreisend. Die grafis­che Aus­gestal­tung und das Bildele­ment genügten nicht, um dem Zeichen Unter­schei­dungskraft zu verleihen.

2. Das BVGer hob die Ver­fü­gung des IGE auf und wies das IGE an, die Marke ePost­S­e­lect (fig.) mit dem Far­banspruch “schwarz, gelb (RAL 1004, Pan­tone C 116/109U)” (gem. Even­tu­al­begehren) Schutz für die beantragten Waren und Dien­stleis­tun­gen in den Klassen 9, 38 und 42 zu gewähren. Die Präzisierung der Farbe (Even­tu­al­begehren) und die Assozi­a­tion mit einem bes­timmten Anbi­eter beste­hen­der Pro­duk­te bewirke aus­re­ichende Kennze­ich­nungskraft (vor allem diese Über­legung weist das BGer zurück; s. unten).

3. Das IGE brachte vor BGer vor, das strit­tige Zeichen sei auch mit dem Far­banspruch nicht orig­inär unter­schei­dungskräftig. Das BGer fol­gt dieser Auf­fas­sung. Nach ein­er Über­sicht über die Recht­sprechung des BGer zur Unter­schei­dungskraft hält das BGer v.a. Fol­gen­des fest:

  • Die mass­ge­blichen Verkehrskreise sind sowohl Durch­schnittskon­sumenten als auch Fach­leute.  Der Aus­druck “ePost­S­e­lect” bedeutet “aus­gewählte [im Sinne von exk­lu­siv oder erlesen] oder eine Auswahl bietende [im Sinne eines Qual­ität­shin­weis­es] elek­tro­n­is­che Post/E‑Mail”. “Post” bedeutet im allg. Sprachge­brauch sowohl Postgut als auch das Unternehmen, das diese befördert. “ePost” bedeutet ohne Weit­eres “elek­tro­n­is­che Post” (dazu 4A.1/2005). “Select” hat ins­beson­dere die Bedeu­tung von auser­lesen, exk­lu­siv, erlesen, also anpreisend. Dieser Begriff ist hier beschreibend. Die Post hat­te vor BGer nicht sub­stan­ti­iert das Gegen­teil dargelegt. 
  • DIe grafis­che Aus­gestal­tung ohne den präzisierten Far­banspruch (d.h. noch “schwarz, gelb” führt nicht zur orig­inären Unter­schei­dungskraft (keine orig­inellen Gestal­tungse­le­mente, gel­ber Hin­ter­grund als grafis­ches Bei­w­erk, übliche Schrif­tart, keine Rel­e­vanz der zusam­men­hän­gen­den Schreib­weise/Fettschrift/­Gross- u. Kleinschreibung).
  • Der präzisierte Far­banspruch reicht — anders als gem. BVGer — eben­falls nicht. Die Präzisierung macht das Zeichen nicht unter­schei­dungskräftiger; “Allein der Umstand, dass das Zeichen damit einzig mit einem bestimmten
    Gelbton geschützt ist und nicht in beliebi­gen Farb­schat­tierun­gen von
    hell- bis dunkel­gelb, ändert an der Wahrnehmung des Zeichens bei den
    mass­ge­blichen Verkehrskreisen nichts und ver­mag den Gesamtein­druck des
    Zeichens nicht in ein­er Weise zu bee­in­flussen
  • Indem das BVGer die gedankliche Verbindung zwis­chen den beste­hen­den Pro­duk­ten der Post und den für das strit­ti­gen Zeichen beab­sprucht­en Pro­duk­ten berück­sichtigt hat, hat es die Voraus­set­zun­gen der orig­inären mit jenen der deriv­a­tiv­en Unter­schei­dungskraft vermischt:

    Nach den Fest­stel­lun­gen der Vorin­stanz wurde im vor­liegen­den Markenein­tra­gungsver­fahren eine Verkehrs­durch­set­zung für die strit­tige Marke ePost­S­e­lect (fig.) nicht gel­tend gemacht bzw. kein Schutz des Zeichens als durchge­set­zte Marke beantragt und ste­ht dem­nach ein solch­er auf­grund der Dis­po­si­tion­s­maxime hier nicht zur Diskus­sion.[…] Wie das Pub­likum den Farbton Gelb […] infolge dessen Gebrauchs im Wirtschaftsverkehr wahrn­immt, hätte die Vorin­stanz im Rah­men dieser abstrak­ten Beurteilung des Zeichens nicht berück­sichti­gen dür­fen. Denn daraus kön­nte allen­falls einzig auf eine deriv­a­tive Unter­schei­dungskraft des strit­ti­gen Zeichens geschlossen wer­den. […] Die Auf­fas­sung der Vorin­stanz würde bedeuten, dass der Inhab­er ein­er durchge­set­zten Marke für weit­ere, nicht unter­schei­dungskräftige Zeichen Schutz beanspruchen kön­nte, ohne die Verkehrs­durch­set­zung für das neue Zeichen nach­weisen zu müssen. Dies lässt sich mit Art. 2 lit. a MSchG nicht vereinbaren.

  • Eine Verkehrs­durch­set­zung war hier jedoch nicht gel­tend gemacht wor­den und stand daher nach der Dis­po­si­tion­s­maxime auch nicht zur Debatte. 
  • Es han­delt sich hier nicht um einen Gren­z­fall, der dem Zivil­richter zu über­lassen wäre.